"DER STANDARD"-Kommentar: "Panne im Rechtsstaat" von Irene Brickner
Geschrieben am 10-09-2012 |
(ET 11.09.2012)
Wien (ots) - Der Schaden ist schon eingetreten, und im Vorfeld hat
niemand laut gewarnt. Aber nicht nur deshalb ist der Umstand, dass
über Berufungen gegen Demonstrationsverbote in Wien und anderen
Städten seit September von derselben Polizeibehörde entschieden wird,
die davor die Untersagung ausgesprochen hat, gleich auf mehreren
Ebenen als schwere rechtsstaatliche Panne einzuschätzen.
Erstens, weil diese fragwürdige Regelung offenbar niemandem im
Innenministerium, wo die Pläne zur Polizeireform entworfen wurden,
als Problem erschien. Dass dort tatsächlich die Meinung zu herrschen
scheint, ein Büroleiter sei eine geeignete Berufungsinstanz für
Entscheidungen seiner Abteilung, zeugt von nur wenig Verständnis für
demokratische Spielregeln.
Zweitens, weil die Polizeireform mitsamt diesem Passus im
Nationalrat mit großer, rot-schwarz-blau-oranger Mehrheit
durchgegangen ist; auf die Einwände der Grünen hörte niemand. Wer je
wissen wollte, wie hoch im Hohen Haus, bei komplexen Materien, das
Verständnis für die Versammlungs- und Meinungsfreiheit ist: bitte
sehr!
Denn, drittens: Auch wenn ab 2014 in Gestalt der
Landesverwaltungsgerichte wieder Abhilfe winkt - fix ist das noch
nicht. Und bis dahin wird es gerade im Wahljahr 2013 in den Städten
wohl so manche konfliktträchtige Demo geben. Dann wird man sehen, wie
die polizeiliche Selbstkontrolle greift.
Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445
Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom
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