DER STANDARD - Kommentar "Lernziel Entschleunigung" von Conrad Seidl
Geschrieben am 21-09-2012 |
Anschobers Burnout sollte Anlass sein, über Inhalt und Tempo
der Arbeit zu reden - Ausgabe vom22./23. September 2012
Wien (ots) - Ist das eigentlich Arbeit? Eine Besprechung hier. Ein
kurzer Auftritt in einer Sitzung da - möglicherweise ohne
Wortmeldung. Eine Pressekonferenz zur Selbstdarstellung. Ein
Mittagessen mit anderen Leuten, die sich für ähnlich wichtig halten.
Zwei, drei Termine in irgendwelchen Gemeinden. Händeschütteln. Den
angebotenen Schnaps ablehnen, ohne unhöflich zu wirken. Vielleicht
auch noch die Trachtenkapelle dirigieren. Bieranstich hier, Weinkost
da - und anschließend ein bisserl was lesen, ein bisserl was
schreiben. Zwischendurch ein Nickerchen im Dienstwagen. Oder besser
doch: Vorbereiten für den nächsten Tag, mit ähnlichem Programm?
Das ist Politikeralltag. Das ist das, was Bürger erwarten. Wehe, wenn
der Herr Landesrat nicht beim Bieranstich vorbeischaut, wehe, wenn er
bei der Weinkost zu früh geht. Dieselben Leute, die den Herrn
Politiker / die Frau Politikerin unbedingt beim großen Termin in
ihrer kleinen Gemeinde dabei haben wollen, fragen nachher am
Stammtisch, ob "die da oben" nicht lieber mehr arbeiten sollten. Wer
sein Geld an der Supermarktkassa oder am Bau verdient, fragt sich ja
überhaupt, ob Politikeralltag überhaupt Arbeit ist.
Diese Frage ist auch am virtuellen Stammtisch im Internet immer
wieder gestellt worden, nachdem die Nachricht vom Burnout des
Grünen-Landesrats Rudi Anschober publik geworden ist: Zahlen wir
unsere Politiker nicht für etwas ganz anderes?
Theoretisch ja. Man hätte lieber "Sachpolitik" - auch wenn niemand
genau sagen kann, was das eigentlich sein soll. Irgendwie billiger
soll das sein - denn es hält sich ja hartnäckig das Gerücht, dass
Politiker in Geld schwimmen und Privilegien genießen.
Daran sind sie zu einem guten Teil selber schuld: Wenige Politiker
haben es gewagt, darauf hinzuweisen, dass sie für die Zeitbelastung
und für die psychische Belastung eigentlich wenig bezahlt bekommen.
Gierig würden sie genannt werden. Von Alfred Gusenbauer ist noch in
Erinnerung, dass er über "das übliche Gesudere" gestöhnt hat - gut
ist ihm diese Ehrlichkeit nicht bekommen. So wenig es einem Politiker
gut bekommen würde, all die viert-, dritt- und zweitwichtigsten
Termine aus seinem Kalender zu streichen. Überheblich würde er
genannt.
Also machen alle weiter. Lassen sich hetzen - auch von den Medien,
die gerne schon heute berichten würden, was morgen vorgeschlagen,
übermorgen beschlossen und dann doch nach journalistischem
Zeitverständnis viel, viel zu spät umgesetzt wird.
Wenn sich in der Politik alles scheinbar immer schneller dreht, wirkt
sich das auch im Rest der Gesellschaft aus. Mehr gehetzte, zu wenig
überdachte Entscheidungen in der Politik verstärken denselben
Mechanismus in der Wirtschaft, im Alltag.
Der Grüne Rudi Anschober war jahrelang einer, der für die Sache, die
er für gut hält, immer schneller, immer länger, immer weiter
unterwegs war. Er hat plötzlich erkannt, dass ihm das nicht gutgetan
hat, er hat als erster österreichischer Politiker das Problem des
Burnout angesprochen.
Das ist mutig. Das ist auch politisch. Denn sehr viele Menschen an
weniger exponierten Arbeitsplätzen leiden still und unbemerkt unter
massivem Druck. Entschleunigung war einmal ein Ziel grüner Politik.
Dass Anschober die Idee für sich in Anspruch nimmt, ist konsequent.
Dass die Grünen daraus allgemeine Lehren ziehen, wäre es auch.
Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445
Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom
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