Frankfurter Neue Presse: Leitartikel zu den Protesten in Griechenland
"Gegen das Volk kann man nie Recht behalten"
Von Panagiotis Koutoumanos
Geschrieben am 26-09-2012 |
Frankfurt am Main (ots) - Griechenlands zerbrechliche
Koalitionsregierung hat nur eine kurze Schonfrist gehabt. Jetzt, da
sich ihre Verhandlungen mit den internationalen Geldgebern über das
nächste schmerzhafte Sparpaket offenbar auf der Zielgeraden befinden,
entladen sich wachsende Verunsicherung und Wut weiter Teile der
Bevölkerung erneut in - zum Teil gewaltsamen - Protesten. Nun hat
Griechenland seit dem Ausbruch der Schuldenkrise schon viele Streiks
und Demonstrationen gesehen. Aber der Aufruhr, den das leidgeplagte
Land gestern erlebt hat und in den kommenden Wochen erleben wird, ist
mehr als nur das übliche Ventil für unterdrückte Wut.
Nach fünf Jahren tiefer Rezession, mehrmaligen Kürzungen bei
Gehältern, Renten- und Sozialleistungen und wiederholten
Steuererhöhungen, die zwar viele Menschen an den Rand der
Armutsgrenze und darüber hinaus gedrängt, das Land dem Verbleib in
der Eurozone aber ökonomisch kaum nähergebracht haben, steht
inzwischen das gesamte politische System vor einer harten Probe.
Kriminalität und Gewalt - besonders gegen illegale Einwanderer -
nehmen zu. In den jüngsten Umfragen verlieren die bürgerlichen
Parteien immer mehr an Unterstützung, erfahren die linksextreme
Syriza und die rechtsextreme "Goldene Morgenröte" immer mehr
Zuspruch. Würde heute gewählt werden, wären die Linksausleger mit
rund 25 Prozent der Stimmen die stärkste Kraft, lägen die militanten
Rechtsausleger mit knapp elf Prozent noch vor der sozialistischen
Pasok, die das Land jahrzehntelang regierte. Was hier droht, ist die
ewige Flucht von Gesellschaften, die am Ende ihrer Kräfte sind, in
Chaos oder Tyrannei.
Natürlich muss das Volk nicht immer recht haben - aber gegen das
Volk kann man nun mal nie recht behalten. Umso mehr als sich
Griechenlands Regierende und die Troika schwere Fehler bei der
Gewichtung der verschiedenen Sparmaßnahmen geleistet und bei ihren
Konjunkturprognosen völlig daneben gelegen haben. Entsprechend hart
ringt die Athener Regierung seit vielen Wochen mit den Geldgebern um
die Ausgestaltung des nächsten, 11,5 Milliarden schweren Sparpakets,
dessen Umsetzung nach den zahlreichen Einschnitten der vergangenen
Jahren besonders schmerzhaft zu werden droht. Schließlich darf die
Koalition auf keinen Fall in der Bevölkerung den Eindruck entstehen
lassen, dass sie wieder einmal ein Diktat der Troika hinnimmt, das
zwar die politische und öffentliche Meinung in Europa kurzfristig
beruhigt, aber nicht aus der Krise führt.
Ist die Troika willens, den - zweifellos notwendigen Sparkurs -
halbwegs sozialverträglich mitzugestalten? Wenn die internationalen
Geldgeber es mit ihren Willensbekundungen, Griechenland möglichst in
der Währungsunion halten zu wollen, ernst meinen, sollten sie die
Latte nicht so hoch hängen, dass das Land diese unmöglich nehmen
kann. Die Streckung der Sparmaßnahmen wäre hier das Mittel der Wahl.
Ein Mittel, das die Verträge ausdrücklich vorsehen, wenn - wie
geschehen - die Rezession deutlich schlimmer ausfällt als
vorausgesagt. Deshalb hat die Troika auch Portugal, das lange Zeit
als Musterschüler unter den Krisenländern galt, nun aber
konjunkturbedingt wackelt, ein Jahr mehr Zeit gewährt. Angesichts der
jüngsten Erfolge, die Athen vorweisen kann - Haushalts -und
Primärdefizit sind in diesem Jahr deutlich niedriger als gefordert,
die Lohnstückkosten sind kräftig gesunken, und die Deregulierung des
Arbeitsmarkts kommt voran - wäre es kaum zu rechtfertigen, den
Griechen eine Fristverlängerung zu verweigern. Zumal die zunehmenden
Proteste in Portugal und Spanien zeigen, dass Griechenland kein
Sonderfall von Renitenz und moralischer Verfehlungen ist.
Pressekontakt:
Frankfurter Neue Presse
Chef vom Dienst
Peter Schmitt
Telefon: 069-7501 4407
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
419864
weitere Artikel:
- Badische Neueste Nachrichten: Keine Mitgliedschaft light Karlsruhe (ots) - Jedes Jahr treten mehr als 100 000 Männer und
Frauen aus der katholischen Kirche aus, viele davon, weil sie
schlicht Steuern sparen wollen, viele aber auch, weil sie dem Klerus
aus Protest das Geld vorenthalten möchten. Ihnen, den Steuersparern
und den frustrierten Gläubigen, mag der emeritierte Hochschullehrer
Hartmut Zapp aus der Seele gesprochen haben, als er mit einer
gewagten Denkfigur das Unvereinbare zu vereinbaren suchte: die
katholische Kirche zu verlassen und doch drinzubleiben. Er hatte 2007
seinen Austritt mehr...
- Lausitzer Rundschau: Juristische Spitzfindigkeit
Zur Grundsatzentscheidung zur Kirchensteuer Cottbus (ots) - Im Prinzip ging es um eine juristische
Spitzfindigkeit. Der katholische Kirchenrechtler Hartmut Zapp wollte
seiner Kirche keine Kirchensteuer mehr zahlen, aber katholisch
bleiben. Weswegen er versuchte, nur aus der Körperschaft des
öffentlichen Rechts auszutreten, nicht aber aus der geistlichen
Gemeinschaft Kirche. Es ist verständlich, dass das Leipziger
Bundesverwaltungsgericht dieser Trickserei gestern einen Riegel
vorgeschoben hat. Und damit zugleich das Kirchensteuersystem in
Deutschland stärkte. Auf den ersten mehr...
- Lausitzer Rundschau: Was kommt noch?
Zur neuen Panne bei den NSU-Ermittlungen Cottbus (ots) - Inzwischen sollte man sich auf alles gefasst
machen. Selbst auf die schlimmste aller Erkenntnisse, dass nämlich
einer aus dem rechten Terrortrio ebenfalls ein V-Mann des
Verfassungsschutzes gewesen ist. Gewiss, dafür gibt es nach jetzigem
Stand keine Belege. Aber die immer neuen Enthüllungen rund um die
Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) geben
genügend Anlass, auch das Unfassbare zu denken. Was kommt da noch
alles ans Tageslicht? Wieder soll es also angeblich einen V-Mann -
eine Verbindungs- mehr...
- Saarbrücker Zeitung: Rekordeinnahmen durch Lkw-Maut auf Bundesstraßen Saarbrücken (ots) - Die Ausweitung der Lkw-Maut auf vierspurige
Bundesstraßen hat deutlich mehr Geld als erwartet in den Haushalt von
Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) gespült. Nach Informationen der
"Saarbrücker Zeitung" (Donnerstag) nahm das Ministerium in den ersten
sechs Wochen seit der Einführung am 1. August 14,1 Millionen Euro
ein. Gerechnet hatte man mit etwas mehr als acht Millionen Euro.
Trotz Ferienzeit seien das "Rekordeinnahmen", bestätigte eine
Sprecherin der Zeitung. Laut der ursprünglichen Planung sollten bis mehr...
- Neue Presse Hannover: Plante NSU Anschläge in Braunschweig?
NP-Exklusiv Hannover (ots) - Offenbar hatte die rechtsextreme Zwickauer
NSU-Terrorzelle Anschläge auch in Braunschweig geplant. Nach einem
Bericht der in Hannover erscheinenden "Neue Presse"
(Donnerstagsausgabe) fand sich unter den Asservaten ein Stadtplan von
Braunschweig. Auf einem Kartenausschnitt waren mit blauem Stift
Punkte markiert. Der türkische Generalkonsul Tunca Özcuhadar machte
die Kreuze als Adressen von Moscheen, türkischen und iranischen
Restaurants sowie Geschäften aus. Er habe nie gewusst, dass es eine
solche Karte gab, sagte mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|