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Börsen-Zeitung: Trendwende voraus, Börsenkommentar "Marktplatz", von Thorsten Kramer.

Geschrieben am 28-09-2012

Frankfurt (ots) - An den Finanzmärkten braut sich etwas zusammen.
Die ausgeprägte Sorglosigkeit passt jedenfalls nicht in den
fundamentalen Rahmen, der nun wieder stärker von der
Staatsschuldenkrise im Euroraum sowie trüben Konjunkturdaten aus
Europa und den Vereinigten Staaten bestimmt wird. Das Risiko für eine
Trendwende bei risikobehafteten Assetklassen steigt. Dies gilt nicht
zuletzt für europäische Aktien.

Bis zuletzt dominierte die Überzeugung der Investoren die Märkte,
dass die Politik und die Notenbanken schon alles dafür unternehmen
werden, die europäische Währungsunion zu stabilisieren und die
globale Wirtschaft zu beleben. Deshalb zogen die Notierungen von
Aktien und vielen Rohstoffen aufs Neue an, und auch am Markt für
Staatsanleihen setzte eine Entspannung ein. Nach den jüngsten
Ereignissen wie etwa den massiven, teilweise gewaltsamen Protesten
gegen neue Sparprogramme in Spanien und Griechenland, dem
unerwarteten Rückgang des Auftragseingangs für die US-Industrie sowie
dem Rutsch des Einkaufsmanagerindex Chicago unter die
Expansionsschwelle wachsen unter Investoren aber neue Zweifel. Der
beruhigende und in der Folge kurstreibende Effekt der jüngsten
Maßnahmen der Notenbanken dürfte somit auslaufen. Der spürbare
Anstieg der Renditen spanischer Staatsanleihen liefert dafür bereits
ein handfestes Indiz.

Spanien gilt unter Analysten als nächster Kandidat für den
europäischen Rettungsschirm. Doch selbst für den Fall, dass die
Regierung nach Hilfe ruft, kann dem unter hoher Arbeitslosigkeit und
geringer Wettbewerbsfähigkeit ächzenden Land nach Überzeugung von
Analysten keine schnelle Erholung gelingen. Sie fragten sich nach der
Ankündigung der neuen Einschnitte beispielsweise, wie man bei einer
schrumpfenden Wirtschaftsleistung mit steigenden Steuereinnahmen
planen könne. Dies erhöht die Verunsicherung. Die wirtschaftliche
Entwicklung, so die allgemein zu hörende Einschätzung, wird in jedem
Fall längerfristig schleppend verlaufen.

Kurzfristig könnte die Europäische Zentralbank einen neuen
impulsgebenden Kontrapunkt setzen, sollte sie nun am Donnerstag
entgegen der Erwartung vieler Beobachter den Leitzins doch auf 0,5%
absenken. Mittelfristig muss aber endlich eine tragfähige und
umfassende politische Lösung her. Insbesondere dann, wenn die
Krisenstaaten weiterhin stark darauf bedacht sind, Aufschub für die
Umsetzung der notwendigen Reformen zu erreichen, wächst mit jedem
weiteren Mal die Gefahr, dass sich das Verhältnis zu den Nordländern
derart eintrübt, dass Marktteilnehmer womöglich auf einen
Euro-Austritt eines dieser starken Staaten spekulieren. Dass dies
keinesfalls unmöglich erscheint, zeigt sich darin, dass am Dienstag
die Finanzminister aus Deutschland, Finnland und den Niederlanden
betonten, dass der erweiterte Euro-Rettungsschirm ESM nur über
künftigen Problemfällen von Banken aufgespannt werden soll.
"Altlasten" wie etwa in Spanien sollen dagegen in der Verantwortung
der jeweiligen Regierungen bleiben.

Von Konjunkturseite drohen in der neuen Woche weitere
Enttäuschungen. Das Interesse der Investoren findet dabei - neben dem
viel beachteten Einkaufsmanagerindex für die US-Industrie - der
monatliche Bericht vom US-Arbeitsmarkt. Die jüngst beschlossenen
Maßnahmen der Federal Reserve zielen in erster Linie auf eine
Belebung des Arbeitsmarktes, aber Volkswirte geben sich sehr sicher,
dass am nächsten Freitag wieder nur mit einem schwachen Aufbau der
Beschäftigung in der stark konsumabhängigen weltgrößten
Volkswirtschaft zu rechnen ist. Dies ist nicht zuletzt für
exportstarke europäische Unternehmen zunehmend ein Problem, denen
bereits die Nachfrageschwäche auf dem "Binnenmarkt Europa" zu
schaffen macht.

Als zusätzlichen Belastungsfaktor sehen Marktteilnehmer die nun
näher rückende Berichtssaison für das abgelaufene dritte Quartal.
Speziell die Gewinnschätzungen für das Jahr 2013 erscheinen vielen
nun angesichts der maximal verhaltenen konjunkturellen Perspektiven
sehr ambitioniert. Die zu erwartenden Revisionen der
Gewinnschätzungen dürften dazu beitragen, dass sich das Bild an
Europas Aktienmärkten eintrübt. Da Aktien im Vergleich zu anderen
Anlageklassen aber weiterhin attraktiv erscheinen, rechnen Beobachter
eher mit einer Konsolidierung als mit einer Korrektur. Darauf sollten
sich Anleger aber nicht verlassen: Auch der kräftige Anstieg seit
Juni hat die meisten Marktteilnehmer in seinem Ausmaß überrascht.

(Börsen-Zeitung, 29.9.2012)



Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de


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