DER STANDARD-KOMMENTAR "Nur nicht zu früh jubeln" von Thomas Mayer
Geschrieben am 09-10-2012 |
Alleingang bei Finanzsteuern in Eurogruppe löblich, es ist
aber mehr offen als gelöst - Ausgabe vom 10.10.2012
Wien (ots) - Der Jubel aus den Regierungszentralen von elf
Eurostaaten zum Beschluss der Einführung einer gemeinsamen Steuer auf
Finanztransaktionen ist nur allzu verständlich. Seit sie und ihre
Partner in der Währungsunion gemeinsam mit dem Internationalen
Währungsfonds im Mai 2010 begonnen haben, ein Hilfsprogramm nach dem
anderen für pleitebedrohte Staaten und Banken zu schnüren, bläst
ihnen immer schärferer Wind entgegen. Das gilt in den Geberländern
ebenso wie in den Empfängerländern, die im Gegenzug harte Reformen
durchführen müssen.
Eine wachsende Zahl von Bürgern zeigt sich frustriert über die
Milliardenspritzen, die die Spielräume auf den nationalen Ebenen
einschränken, ohne dass ein persönlicher "Mehrwert" auf europäischer
Ebene spürbar würde. In den reichen (gleichwohl schwer verschuldeten)
Staaten wie Deutschland oder Österreich (die von niedrigen Zinsen
durch die Krise paradoxerweise stark profitieren) haben viele das
Gefühl, ihre Regierungen verteilten Geschenke mit ihren
Steuergeldern. Aber "die Banken" und Spekulanten als Verursacher der
Probleme blieben ungeschoren.
In Griechenland, Spanien und Portugal radikalisiert sich der Protest
der Straße - aber angesichts der Kürzungen von Sozialleistungen und
Pensionen. Nicht wenige glauben ebenfalls, die Hilfsmilliarden
dienten nur "den Banken" und nicht dem Volk, indem der Zusammenbruch
ganzer Staaten verhindert wird. Darum geht es.
Es ist dabei auch ziemlich belanglos, ob es sich um politisch links
oder konservativ geführte Staaten handelt. Vor diesem Hintergrund tut
es den Regierenden natürlich gut, wenn sie den Bürgern endlich einmal
gute Nachrichten übermitteln können: Mit Einführung einer
Finanztransaktionssteuer seien jetzt die Banken, die Versicherungen,
die großen Fonds an der Reihe, ihren Beitrag für die Folgekosten der
Wirtschafts- und Finanzkrise zu leisten.
Etwas weniger deutlich wird dazugesagt, dass es vorläufig nicht viel
mehr gibt als hehre Absichten, weil alle bisherigen Versuche einer
Tobin-Tax in der ganzen Union von 27 Staaten komplett gescheitert
sind - nicht nur weil Großbritannien und Schweden so böse sind und
ein Veto einlegen. EU-Staaten ohne Euro wie Tschechien oder Polen
sind skeptisch, beim heiklen Thema gemeinschaftlicher Steuern einen
wichtigen Schritt zu machen - sie sagen vorläufig Nein.
Und: Ein "Kernland" der Union wie Luxemburg, das an der europäischen
Integration seit Jahrzehnten blendend verdient, hält sich mit Blick
auf sein Finanzzentrum ebenso raus wie Irland. Der Versuch, es als
Avantgarde von elf Staaten zu probieren, ist also ohnehin eine
Minimalvariante.
Dazu kommt, dass die wichtigsten Fragen nach wie vor vollkommen
ungelöst sind. Die wichtigste wäre, welche Art von Finanzgeschäften
erfasst wird. Wären nur Aktien betroffen (wie derzeit schon in
Frankreich oder Großbritannien) und nicht Derivate und hochriskanter
Handel, dann bliebe zwar der Name, aber kaum ein Effekt.
Die zweite wichtige Frage ist, wer denn die neuen Steuern bekäme.
Flössen die Mittel ausschließlich in nationale Budgets, wie die
deutsche Regierung will, muss man Zweifel an einem gesamteuropäischen
Lenkungseffekt in einem offenen Markt anmelden. Positiv ist der
Ansatz aus Wien, den Einstieg als Auftakt für künftige
EU-Finanzierung zu sehen. Das wird lange dauern. Aber die Hoffnung
lebt.
Rückfragehinweis:
Der Standard
Tel.: (01) 531 70 DW 445
Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom
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