"DER STANDARD"-Kommentar: "Die Genossen laufen nicht"
von Michael Völker
Geschrieben am 14-10-2012 |
Der Defensiv-Kanzler erhält einen Denkzettel. Kann er ihn
lesen? - Ausgabe vom 15.10.2012
Wien (ots) - Werner Faymann sitzt in der ersten Reihe und lächelt.
Lächelt, wenn der Kasino-Kapitalismus gegeißelt wird, lächelt, als
die mangelnde Diskussionsbereitschaft in der Partei beklagt wird. Und
als Mut und Offenheit gefordert wird? Lächelt er. Und bleibt wie
angewurzelt fast den ganzen Parteitag über auf seinem Platz in der
ersten Reihe sitzen.
Der Kanzler und Parteichef redet nicht mit den Leuten. Nicht mit den
Medien. Nicht einmal mit den eigenen Leuten, den Funktionären. Sagt
nichts, unterhält sich nicht, bleibt in der ersten Reihe sitzen. Und
so bleibt ihm nur eine einzige Regung nach außen hin, als am Samstag
sein Wahlergebnis verkündet wird. Faymann erhält am Parteitag in St.
Pölten 83,4 Prozent Zustimmung, das ist das schlechteste Ergebnis
eines SPÖ-Chefs.
Er lächelt.
Faymann befindet sich in einer Art Permanenz-Defensive. Er bewegt
sich möglichst wenig, um nur ja keine Fehler zu machen. Er
kommuniziert nicht, er verlautbart. Auch am Parteitag. "Wir lassen
uns nicht vorführen", sagt er zum Abdrehen des
Untersuchungsausschusses. "Es gibt keine guten und keine schlechten
Inserate", sagt er zur Inseratenaffäre.
Aber auch die Genossen finden es nicht sympathisch, wenn sich einer
die Berichterstattung zu kaufen versucht. Schöner wäre es, wenn er
etwas zu sagen hätte. Und die Genossen finden es auch nicht
sympathisch, ein parlamentarisches Kontrollgremium stillzulegen.
Mutiger wäre es gewesen hinzugehen und zu argumentieren. Werte haben,
Haltung zeigen, dafür einstehen, das gefiele auch den Genossen.
Einige von ihnen nehmen sich am Samstag das Recht heraus, Haltung zu
zeigen. Sie stimmen gegen ihren Parteivorsitzenden Werner Faymann.
Die verordnete Parteitagsharmonie kommt gar nicht gut an. Der Antrag
von Gabi Burgstaller zur Einführung von Studiengebühren wurde in eine
Arbeitsgruppe verräumt - bloß nicht streiten. Auch über das heikle
Thema Wehrpflicht darf nicht diskutiert werden. Es gibt da in der
Partei sehr unterschiedliche Standpunkte. Aber Faymann will sie nicht
hören. Er ließ sich vom Wiener Bürgermeister Michael Häupl in eine
allzu eilige Kampagne zur Abschaffung der Wehrpflicht hetzen, ohne
dafür gerüstet zu sein. Jetzt heißt es "Augen zu und durch". Aber die
Genossen laufen nicht. Nicht für Faymann. Das hat er am Samstag vor
Augen geführt bekommen.
Der Parteichef hemmt seine Partei. Ein Jahr vor den
Nationalratswahlen ist das bitter. Für ihn selbst, aber auch für die
Partei.
Faymann wird sich ernsthaft etwas überlegen müssen. Er wird aus
seiner selbstgewählten Defensive herauskommen müssen, er wird ein
bisschen mutiger und offen sein müssen, er muss sich Gesprächen
stellen, den Genossen stellen, den Medien stellen, der Kritik
stellen. Und er wird ein paar Themen auf den Tisch legen müssen. Mit
einem Retro-Klassenkampf, wie er ihn in einer uninspirierten
Parteitagsrede wiederzubeleben versucht hat, wird die SPÖ im
Wahlkampf niemanden begeistern können.
Die Genossen haben in St. Pölten gezeigt, dass sie Demokratie sehr
wohl ernst nehmen, sie haben ihrem Unmut eine Stimme gegeben, sie
haben den Konflikt mit Faymann gesucht. Dieser Auseinandersetzung
muss sich der Kanzler jetzt stellen. Oder er bleibt lächelnd in der
ersten Reihe sitzen und lässt niemanden heran. Dann hat er schon
verloren.
Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445
Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
422872
weitere Artikel:
- Neue Westfälische (Bielefeld): KOMMENTAR
64. Internationale Buchmesse in Frankfurt
Am Wendepunkt
STEFAN BRAMS Bielefeld (ots) - Als der Berliner Verbrecher-Verlag die
Herausgabe von Erich Mühsams Tagebüchern als Gesamtwerk ankündigte,
galt das als tollkühn. Als er dann noch ankündigte, alles auch frei
ins Internet zu stellen, galt das gar als verrückt. Doch das Modell
hat funktioniert - das Buch verkauft sich gut, und im Internet gibt's
nicht nur die handschriftliche Fassung obendrein, sondern man kann
sogar an den Erläuterungen zum Werk mitschreiben. Ein Beispiel von
vielen, das zeigt: Die digitale Herausforderung ist für die
Buchverlage mehr...
- NRZ: Die Kanzlerin braucht eine neue Bildungsministerin - ein Kommentar von CHRISTIAN KERL Essen (ots) - Als der damalige Verteidigungsminister zu Guttenberg
wegen seiner erschummelten Doktorarbeit unter Druck geriet, fällte
Annette Schavan als erste Kabinettskollegin ein vernichtendes Urteil:
Sie schäme sich für seine Plagiate nicht nur heimlich. Das harte Wort
fällt nun auf die Bildungsministerin zurück, nachdem sich ihre eigene
Plagiatsaffäre zuspitzt. Guttenberg musste bekanntermaßen
zurücktreten, ob Schavan das gleiche Schicksal ereilt, ist noch
offen. Einiges spricht aber schon jetzt dafür, dass die Ministerin
nicht mehr...
- WAZ: Vernichtender Vorwurf
- Kommentar von Christian Kerl Essen (ots) - Als der damalige Verteidigungsminister zu Guttenberg
wegen seiner erschummelten Doktorarbeit unter Druck geriet, fällte
Annette Schavan als erste Kabinettskollegin ein vernichtendes Urteil:
Sie schäme sich für seine Plagiate nicht nur heimlich. Das harte Wort
fällt nun auf die Bildungsministerin zurück. Guttenberg musste
bekanntermaßen zurücktreten, ob Schavan das gleiche Schicksal ereilt,
ist noch offen. Einiges spricht aber schon jetzt dafür, dass die
Ministerin nicht zu halten ist. Gewiss, ihr Fall liegt deutlich
anders, mehr...
- WAZ: Mit viel Frust
- Kommentar von Walter Bau Essen (ots) - Frank-Walter Steinmeier hat sich für seine Familie
und gegen eine erneute Kanzlerkandidatur entschieden. Diese
Entscheidung verdient Respekt. Punkt. Aber es gibt noch eine andere
Seite dieser Personalie. Die Art und Weise nämlich, wie Steinmeier
mit seiner Absage die eigene Partei auf dem falschen Fuß erwischte,
lässt mehr als erahnen, dass es in der angeblich so einigen Troika
Gabriel-Steinmeier-Steinbrück so harmonisch dann doch nicht zuging.
Ohne Vorwarnung an die Genossen ließ Steinmeier die Information über
seinen mehr...
- Mitteldeutsche Zeitung: zum Verzicht von Reiner Haseloff auf den Posten des CDU-Landesvizechefs Halle (ots) - Man wüsste gern, warum Haseloff bislang
offensichtlich kein Interesse daran hat, Chef der Landes-CDU zu
werden. Aufgabenüberlastung kann es kaum sein. Immerhin schafft es
Angela Merkel, das Amt der Kanzlerin mit dem der
CDU-Bundesvorsitzenden zu vereinen. Personalpolitik, auch
innerparteilich, ist ein gewichtiges Instrument, um Themen und
Akzente zu setzen. Der Einfluss des Ministerpräsidenten ließe sich so
sicherlich noch steigern.
Pressekontakt:
Mitteldeutsche Zeitung
Hartmut Augustin
Telefon: 0345 565 4200 mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|