DER STANDARD-KOMMENTAR "Desinteresse am Klimawandel" von Eric Frey
Geschrieben am 01-11-2012 |
Trotz Sandy ist Erderwärmung für die USA ein Randthema -
leider auch für Europa - AUsgabe vom 2.11.2012
Wien (ots) - Kein Wissenschafter kann mit Sicherheit behaupten,
dass Hurrikan Sandy etwas mit dem von Menschen verursachten
Klimawandel zu tun hat. Aber dass die Wahrscheinlichkeit solcher
verheerender Naturkatastrophen durch die Erderwärmung und den Anstieg
des Meeresspiegels wächst, steht außer Zweifel. Man würde glauben,
dass auch den bisher so klimaschutzkritischen Amerikanern nach dem
furchtbaren Dürresommer und dem jüngsten Jahrhundertsturm die Augen
aufgehen und der Kampf gegen Klimawandel endlich zu einem
innenpolitischen Anliegen wird. Aber keine Spur: Im
Präsidentschaftswahlkampf kommt das Thema nur insofern vor, als dass
Mitt Romney Präsident Barack Obama vorwirft, den Kohleabbau
einzuschränken - und damit auf Stimmen im Kohlerevier von Ohio hofft.
Obama selbst spricht das Thema kaum an, was wahltaktisch
verständlich, aber für alle, die sich um die Zukunft des Planeten
sorgen, dennoch höchst enttäuschend ist. Aber Obama hat schon bald
nach seiner Wahl erkannt, dass er als Kämpfer für den Klimawandel
politisch nur verlieren kann. Das wird sich auch in einer zweiten
Amtszeit nicht ändern. Und unter einem Präsidenten Romney wären
überhaupt jene Kräfte am Ruder, die den Klimawandel als Erfindung
perfider Öko-Extremisten abtun. Bevor sich die Europäer aber allzu
sehr über die Amerikaner empören, sollten sie lieber vor ihrer
eigenen Haustür kehren. Auch hier ist das Interesse am Klimaschutz
erlahmt. Eurokrise, Rezession, Arbeitslosigkeit - bei einer so
schlechten Wirtschaftslage steigt niemand für Umweltthemen auf die
Barrikaden. Zwar hat die EU als Ganzes ihre Verpflichtungen zur
Treibhausgasreduzierung unter dem Kioto-Vertrag zu erfüllen - aber
dafür sind weniger die Klimaschutzmaßnahmen als der Rückgang der
Industrieproduktion als Folge der Finanzkrise verantwortlich. Der
Emissionshandel ist zahnlos geworden, da die gehandelten Zertifikate
fast nichts kosten. Auch wenn sich die EU-Kommission redlich bemüht,
die viel zu hohe Zahl der Verschmutzungsrechte zu reduzieren, wird
sie wohl am Widerstand der Industrie, dem Desinteresse der Bürger und
der deshalb nicht vorhandenen Unterstützung der_Regierungen
scheitern. Typisch für diese Gleichgültigkeit ist Österreich: Das
Land, das sein Kioto-Ziel am meisten verfehlt und nicht einmal ein
Klimaschutzgesetz zustande bringt, wird nach den Plänen der Regierung
die Förderung für Pkw-Pendler weiter erhöhen, was zu noch mehr
CO2-Ausstoß führen wird.
Der Klimaschutz hat keine Lobby. Selbst für die Grünen ist er kein
Herzensthema mehr. Atomausstieg in Deutschland, Korruptionsbekämpfung
in Österreich - auch die Ökopartei setzt eher auf jene Themen, die
bei den Wählern ziehen.
Daher wird auch die bevorstehende Weltklimakonferenz in Katar keinen
Fortschritt bringen. Den Preis dafür zahlen Millionen Menschen auf
allen Kontinenten - in New Jersey genauso wie in Afrika. Aber wie man
die Politik zum Handeln zwingen kann, hat noch niemand
herausgefunden.
Die einzige Hoffnung besteht in einem überraschenden technologischen
Durchbruch. Die besten Nachrichten für den Klimaschutz kommen
ironischerweise derzeit aus den USA: Das immer stärker geförderte
Schiefergas ersetzt die schmutzigere Kohle und lässt Amerikas
CO2-Emissionen erstmals sinken. Das bringt zwar etwas Erleichterung,
aber sicher keine Lösung.
Rückfragehinweis:
Der Standard
Tel.: (01) 531 70 DW 445
Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom
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