DER STANDARD-Kommentar "Wer nicht zahlt, schafft ab"
Geschrieben am 11-11-2012 |
von Thomas Mayer
Wien (ots) - Der eigene Standpunkt prägt das Bewusstsein: Das
gilt im Streit um die EU-Budgetvorschau bis 2020 besonders - je
nachdem, um welche Länder, Regionen, Traditionen oder Parteien es
sich handelt. Nur so ist erklärbar, warum Michael Spindelegger und
Andreas Schieder dazu jeweils eine etwas schizophrene Haltung
einnehmen. Einerseits stellt sich der SP-Finanzstaatssekretär ganz
hinter den VP-Außenminister. Der hat mit einem Veto in Brüssel
gedroht, sollte Österreich als Nettozahler nicht wie bisher
Beitragsrabatt erhalten und bei der EU-Förderung für den ländlichen
Raum Meistbegünstigung behalten. Andererseits wirft Schieder
Großbritannien "unflexibles Verhalten" vor, weil es nicht bereit sei,
sich der Abschaffung aller Beitragsrabatte anzunähern. Das Geld soll
in einen Fonds zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit fließen. Wie
ist das möglich? Ganz einfach: Beide sprechen einerseits als
Österreicher aus einem kleinen (Nettozahler-)Land im alpinen
Zentraleuropa. Seit 17 Jahren profitiert es stark von Förderungen für
den (unterentwickelten) ländlichen Raum, im Grenzraum von der
EU-Erweiterung. Als Sozialdemokrat würde Schieder andererseits statt
in die Bauern viel mehr in gemeinsame Wirtschafts-, Arbeits- und
Sozialpolitik investieren wollen, die in der EU noch wenig integriert
sind. Das hat er mit den meisten seiner Parteifreunde in Süd- oder
Nordeuropa gemein. Beide haben ihren Wählern striktes Sparen auch in
der EU versprochen. Das geht alles nicht zusammen. Das Beispiel aus
dem Mikrokosmos der österreichischen EU-Politik zeigt, warum die
langfristige Budgetplanung der Union so schwierig ist wie nie in der
Geschichte. So wie Österreich geht es fast allen EU-Ländern. Durch
die schlimmste Wirtschaftskrise seit dem Krieg sind die Kassen leer.
Bestimmte EU-Politiken lassen sich nicht mehr so wie bisher einfach
fortsetzen. Da die Gemeinschaft rasch auf 27 Länder angewachsen ist,
Interessen so zersplittert sind wie nie, gleichzeitig EU-Kompetenzen
ausgeweitet wurden, sind die Verteilungskämpfe jetzt besonders hart.
Neu ist auch, dass die Eurozone noch stärker zusammenrücken will
(oder muss). Dafür braucht sie eine eigene Finanzierung, ein
Eurobudget. Das macht die Sache noch komplizierter, erklärt aber,
warum Großbritannien (und andere wie Schweden) so widerspenstig sind.
London fühlt sich für jugendliche Arbeitslose in Südeuropa nicht
zuständig. Nicht sehr sympathisch, aber nicht unlogisch.
Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445
Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom
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