NRZ: Unnötige Operationen - ein Kommentar von JAN JESSEN
Geschrieben am 07-12-2012 |
Essen (ots) - Jede Operation ist im juristischen Sinn eine
Körperverletzung. Ärztliche Eingriffe werden nur deshalb nicht
bestraft, weil Patienten dafür ihr Einverständnis gegeben haben. Das
tun sie, weil ein Mediziner ihnen gesagt hat, dass dieser Eingriff
für ihre Gesundheit vonnöten ist; und natürlich vertrauen Patienten
der Diagnose ihres Doktors. Umso erschreckender und abstoßender ist
die Vorstellung, dass viele Operationen in Deutschland gar nicht
medizinisch notwendig sind, sondern nur durchgeführt werden, weil
Ärzte noch mehr Geld damit verdienen. Der aktuelle
AOK-Krankenhausreport nährt den Verdacht, dass es sich so verhalten
könnte. Die Ergebnisse dieser Untersuchung sind nicht das erste Indiz
dafür, dass in deutschen Krankenhäusern Schindluder mit dem Vertrauen
von Patienten getrieben wird. Bereits im vergangenen Jahr hatte der
Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen eine ähnliche Studie
veröffentlicht. Auch hier das Ergebnis: Die Zahl der Operationen
nimmt wesentlich mehr zu, als es mit der demografischen Entwicklung
zu begründen wäre. Und der Marburger Bund, die Gewerkschaft der
Krankenhausärzte, hat auf seiner jüngsten Hauptversammlung den Grund
dafür genannt: Immer mehr Krankenhäuser schließen offenbar mit ihren
Chefärzten Verträge ab, in denen Bonuszahlungen vereinbart werden -
je mehr Operationen durchgeführt werden, desto mehr Geld gibt es. Nun
kann man argumentieren: Die Krankenhäuser sind chronisch
unterfinanziert und gezwungen, ihre Fallzahlen zu steigern, weswegen
ökonomische Anreize für die medizinisch Verantwortlichen sinnvoll
sind. Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass - Entschuldigung
für diese drastischen Worte - es einfach eine Schweinerei ist, wenn
Menschen ohne Not unters Messer müssen. Ärzte, die so etwas tun,
verstoßen in eklatanter Weise gegen den Hippokratischen Eid, sie
gefährden das Vertrauensverhältnis von Arzt und Patient. Ärzte sind
keine Banker. Ihnen vertrauen Menschen nicht ihr Geld, sondern ihr
Leben und ihre Gesundheit an. Bonuszahlungen darf es allenfalls für
die Verbesserung der Qualität der ärztlichen Betreuung geben,
keinesfalls aber für die Steigerung der Fallzahlen. Begreifen das die
Krankenhäuser und Ärzte nicht, muss der Gesetzgeber handeln. Und das
schnell.
Pressekontakt:
Neue Ruhr Zeitung / Neue Rhein Zeitung
Redaktion
Telefon: 0201/8042616
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