Mittelbayerische Zeitung: Stagnation in der Bildung
Der aktuelle Vergleich zeigt kaum Fortschritte - dabei wären Verbesserungen in vielen Bereichen nötig. Von Louisa Knobloch
Geschrieben am 11-12-2012 |
Regensburg (ots) - Die Ergebnisse der gestern vorgestellten IGLU-
und TIMMS-Studie klingen erst einmal positiv: Im internationalen
Vergleich schneiden deutsche Grundschüler im Lesen, in Mathematik und
Naturwissenschaften gut ab. In allen drei Fächern liegen sie im
oberen Drittel und damit über dem Durchschnitt der EU- und
OECD-Staaten. Im Vergleich zu den Vorgänger-Studien 2001 und 2006 hat
sich damit aber kaum etwas verändert - dabei wären im Bildungsbereich
Verbesserungen dringend nötig. Thema Föderalismus: Ein Anfang Oktober
veröffentlichter innerdeutscher Vergleich unter Viertklässlern in
Deutsch und Mathematik hatte große Unterschiede zwischen den
einzelnen Bundesländern aufgezeigt. Bayern, Baden-Württemberg und
Sachsen lagen hier vorne, Schlusslichter waren die Stadtstaaten
Berlin, Bremen und Hamburg. Statt bildungspolitischer Kleinstaaterei
sind hier einheitliche Konzepte gefragt - ob es nun um Lehrpläne, die
Ausstattung der Schulen oder Ganztagsangebote geht. Als Maßstab muss
dabei das Land gelten, das in diesem Bereich erfolgreich ist - und
nicht der kleinste gemeinsame Nenner. Auch die aktuelle Studie gibt
trotz der scheinbar überdurchschnittlichen Ergebnisse Anlass zur
Sorge: So schafften es in allen drei untersuchten Fächern nur relativ
wenige Grundschüler in die höchste Kompetenzstufe V. Fortgeschrittene
Leseleistungen erzielte nur rund jedes zehnte deutsche Kind (9,5
Prozent). In Mathematik erreichte sogar nur jeder zwanzigste Schüler
fortgeschrittene Leistungen (5,2 Prozent), in den Naturwissenschaften
sank die Zahl von 9,6 Prozent auf 7,1 Prozent. Andere Länder
erreichten hier wesentlich höhere Quoten. Noch erschreckender sind
die Zahlen der Schüler, die unter der Kompetenzstufe III bleiben. Das
Erreichen dieser Stufe stellt die Minimalanforderung dar. Beim Lesen
erreicht mehr als jedes sechste Kind (15,4 Prozent) kein
ausreichendes Kompetenzniveau, in Mathematik sind es sogar 19,3
Prozent, in den Naturwissenschaften 22 Prozent. In der Sekundarstufe
I, also ab der 5. Klasse, werden diese Kinder in den jeweiligen
Fächern erhebliche Schwierigkeiten haben, schreiben die Experten des
Instituts für Schulentwicklungsforschung zu der Studie. Hier muss
dringend gegengesteuert werden - und das kostet Geld, etwa für
zusätzliche Förderlehrer und den Ausbau der Ganztagsschulen. Die
deutschen Bildungsausgaben liegen - gemessen am Bruttoinlandsprodukt
- allerdings schon seit Jahren unter dem OECD-Durchschnitt. Und noch
etwas hat sich nicht geändert: Noch immer entscheidet die soziale
Herkunft in Deutschland über Bildungschancen. Dass Arbeiter- und
Migrantenkinder benachteiligt werden ist schon lange bekannt - doch
bislang ist viel zu wenig passiert, um diese Ungerechtigkeit zu
ändern. Die aktuelle Studie zeigt, dass Kinder aus Arbeiterfamilien
in den drei untersuchten Fächern wesentlich höhere Leistungen
erzielen müssen, damit Lehrer und Eltern für sie eine
Gymnasiallaufbahn in Betracht ziehen, als Kinder aus bessergestellten
Familien. Neben einer gezielten Förderung von Schülern aus sozial
benachteiligten Familien und Schülern mit Migrationshintergrund ist
auch ein Umdenken nötig. In der Aus- und Fortbildung sollten Lehrer
für dieses Thema sensibilisiert werden. Wenn tatsächlich in Bayern
die Studiengebühren fallen, wäre ein weiteres Zugangshindernis
ausgeräumt. Das ist wichtig, denn Deutschland ist auf gut
ausgebildete Fachkräfte angewiesen. Doch nicht nur Politiker und
Lehrer sind in der Pflicht, sondern auch die Eltern. Sie können im
Alltag aktiv Vorbild sein - etwa wenn es um das Lesen geht, eine
grundlegende Fähigkeit für den schulischen Erfolg. Klar: Wenn zu
Hause ein volles Bücherregal lockt, die Eltern selbst gerne lesen und
ihre Kinder mit in die Bücherei nehmen, dann ist der erste Schritt
getan.
Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de
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