(Registrieren)

Mittelbayerische Zeitung: Pech für die Eurozone Reformen werden auf die lange Bank geschoben. Leitartikel zum EU-Gipfel von Hanna Roth

Geschrieben am 13-12-2012

Regensburg (ots) - Es war eine gute Woche für die Europäische
Union: Erst die elegante Nobelpreiszeremonie am Montag, dann der
Durchbruch bei der Bankenaufsicht am frühen Donnerstagmorgen. Es ist
genau diese Mischung aus Ruhe und Erfolg, den man sich in Brüssel für
den Jahresausklang wünscht. Dass diese heimelige Atmosphäre durch
nichts getrübt wird, dafür hat vor allem Bundeskanzlerin Angela
Merkel gesorgt. Lästige Themen wie einen Zeitplan zum Umbau der
Eurozone hat sie einfach von der Gipfel-Agenda streichen lassen. Kaum
hat der Druck an den Finanzmärkten nachgelassen, erschlafft auch der
europäische Reformeifer. Europa darf sich aber nicht auf seinen
Lorbeeren ausruhen. Es war erneut ein Jahr, in dem ein EU-Gipfel den
nächsten jagte. Seit Beginn der Eurokrise trafen sich die Staats- und
Regierungschefs rund 30 Mal. Ständiger Begleiter dabei: die Sorge um
die Lage an den Finanzmärkten. Der Druck der Börsen machte es möglich
und so wurden dann eiligst Hilfspakete geschnürt, Rettungsschirme
erdacht und Reformvorhaben beschlossen. Doch die aktuelle
Gipfelagenda zeigt, dass vor allem von Letzterem die Staats- und
Regierungschefs jetzt erst einmal genug haben. Anders gesagt: Sie
sehen keine Notwendigkeit zu raschem Handeln. Jetzt, wo mit Blick auf
das Euroland entspannte Stimmung an den Märkten herrscht, entscheidet
sich Europa dazu, den Ball flach zu halten. Das ist umso
bedauerlicher, als dass die EU heute einmal nicht als Getriebene der
Märkte agieren, sondern selbst die Regeln vorgeben könnte.
Stattdessen klopft man sich lieber auf die Schulter über das
Geschaffte und schiebt die notwendigen Reformen auf die lange Bank.
Bestes Beispiel dafür ist die Bankenaufsicht, über deren Beschluss so
viel Erleichterung zu herrschen scheint, dass man sich nur zu gerne
mit dem Erreichten zufriedengibt. Dabei ist die EU von einer echten
Bankenunion noch meilenweit entfernt. Sicherlich, Struktur und
Zuständigkeiten der neuen Aufsicht sind nun geklärt. Doch es ist nur
die erste Säule. Die weit unangenehmeren weil komplizierten Themen
wie der gemeinsame Abwicklungsmechanismus sowie die europäische
Einlagensicherung sind erst einmal vertagt. Denn hierbei geht es
tatsächlich ans Eingemachte: Soll Europa weiter zur Haftungsunion
ausgebaut werden? Dass der Reformeifer vor allem bei der
Einlagensicherung stockt, liegt zum Großteil an der Bundesregierung.
Berlin will unter allen Umständen verhindern, dass deutsche Sparer am
Ende für marode Banken im EU-Nachbarland einspringen müssen. Auch der
Zeitpunkt ist für Merkel völlig falsch: So kurz vor den
Bundestagswahlen will sie sich diese lästige Diskussion nicht
aufhalsen. Pech für die Eurozone, für deren Umbau weitere wertvolle
Zeit verstreichen wird. Das wird sich auch heute beim Gipfel zeigen.
Denn wirklich wegweisende Vorschläge, wie sie EU-Ratspräsident Herman
Van Rompuy im Vorfeld gemacht hatte, sind auf Druck Merkels aus dem
Abschlussdokument gestrichen worden. Anstatt dem von Van Rompuy ins
Spiel gebrachten Eurozonen-Haushalt, der einen automatischen
Finanzausgleich in Krisenfällen ermöglichen soll, ist jetzt nur noch
von einer "Fiskalkapazität" die Rede. Auch der Mehrjahresfahrplan,
mit dem der Belgier die Euro-Staatschefs auf den Umbau der
Währungsunion festnageln wollte, ist vom Tisch. Stattdessen soll
jetzt nur das Vorgehen der nächsten Monate beschlossen werden. Es
hätte der Gipfel der großen Visionen werden können. Doch ohne Druck
macht Europa lieber weiter mit seinem kleinklein. Der nächste
Krisengipfel im neuen Jahr wird nicht lange auf sich warten lassen.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

437067

weitere Artikel:
  • Mittelbayerische Zeitung: Inkonsequent Kommentar zu Seehofer Regensburg (ots) - Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer ist bekannt dafür, dass er genauso gut austeilen wie einstecken kann. Jetzt hat er wieder einmal ausgeteilt. Ordentlich. Gegen seinen Finanzminister Markus Söder. In dessen Heimatzeitung. Der sei "von Ehrgeiz zerfressen", habe "charakterliche Schwächen" und leiste sich "zu viele Schmutzeleien". Schwere Geschütze. Dass Seehofers Breitseite zu Unrecht abgefeuert wurde, wird wohl niemand ernsthaft behaupten, der Söder auch nur halbwegs kennt. Nur: Wenn der Ministerpräsident mehr...

  • Westfalenpost: Energiesparen/Gebäudesanierung/Förderprogramm Hagen (ots) - Die von vielen Wohneigentümern erhoffte steuerliche Förderung von Sanierungsmaßnahmen wird es nicht geben. Sie ist im Vermittlungsausschuss am Parteienstreit über die Kostenverteilung gescheitert. Damit bekommt die Energiewende einen Dämpfer, an der Richtigkeit der ursprünglichen Ziele und Maßnahmen aber ändert sich nichts.

    In Deutschland entfallen derzeit über 40 Prozent des Energieverbrauches auf den Betrieb von Gebäuden. Allein diese Zahl verdeutlicht, welches Potenzial in der Dämmung von Fassaden, Dächern mehr...

  • Westfalenpost: Umwelt/Wald/Forst/NRW Hagen (ots) - Der Weihnachtsbaum ist zum Exportschlager des Sauerlandes geworden. Wenn jeder dritte deutsche Christbaum in der heimischen Region geschlagen wird, müssen die wirtschaftlichen Folgen eines Verbots bedacht werden. Remmel sollte den Paragrafenwald nicht weiter aufforsten, sondern sich auf Maßnahmen gegen die Giftspritze konzentrieren.

    Für viele Waldbesitzer war die Anpflanzung der Christbäume nach Kyrill ein Akt des Überlebens. Regionale Auswüchse können durch Flächenbegrenzungen vermieden werden. Grüne Warnungen, mehr...

  • Mitteldeutsche Zeitung: zur Bankenunion Halle (ots) - Mit dem Rettungsschirm, der Bankenunion sowie dem Versprechen von EZB-Chef Mario Draghi, notfalls unbegrenzt Staatsanleihen aufzukaufen, nähert sich Euroland einem Gebilde, das funktionieren kann, einer Währungsunion samt Wirtschaftsunion. Was noch fehlt, ist die demokratische Fundierung auf europäischer Ebene, damit das Europäische Parlament Entscheidungen treffen kann und nicht alle Macht bei Regierungschefs in Hinterzimmern liegt. Gehen die Staaten diesen Weg weiter, tritt ein, was außer Altkanzler Helmut Kohl mehr...

  • Mitteldeutsche Zeitung: zum Fall Jalloh Halle (ots) - Der Justiz ist es nicht gelungen, alle Fragen zum schlimmen Geschehen vom 7. Januar 2005 in einer Dessauer Polizeizelle zu beantworten. Schuld daran tragen weder die Staatsanwälte noch die Richter. Verantwortlich sind in erster Linie die Polizeibeamten, die in den beiden Prozessen aussagten - und nichts zur Wahrheitsfindung beigetragen haben. Im Gegenteil: Es drängte sich der Eindruck auf, dass verschleiert werden sollte, wo es nur ging. Der Schaden ist groß: Menschenrechtsorganisationen glauben bis heute, dass Jalloh mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht