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Urteil: Unilever darf irreführende Werbung für Cholesterinsenker Becel pro.activ unabhängig vom Wahrheitsgehalt weiter verbreiten - Irreführung über mögliche Nebenwirkungen der Margarine geht weiter

Geschrieben am 14-12-2012

Hamburg/Berlin (ots) - Unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt darf
der Nahrungsmittelkonzern Unilever umstrittene Aussagen über sein
Produkt Becel pro.activ weiter verbreiten. Die Behauptung, nach denen
es "aus wissenschaftlicher Sicht keinen Hinweis" auf Nebenwirkungen
der cholesterinsenkenden Margarine gebe, stufte das Landgericht
Hamburg in seinem heutigen Urteil nach einer Klage der
Verbraucherorganisation foodwatch lediglich als Meinungsäußerung und
nicht als Tatsachenbehauptung ein. Somit unterzog es die Aussagen gar
nicht erst einem Faktencheck (Az 324 O 64/12).

foodwatch konnte daher keinen Unterlassungsanspruch gegen Unilever
geltend machen, obwohl die Aussage nachweislich falsch ist. "Es gibt
eine Reihe von Studien, die Hinweise auf Nebenwirkungen von Produkten
wie Becel pro.activ geliefert haben - an diesem Fakt ändert das
Urteil nichts. Das Gericht hat die gegenteilige Aussage Unilevers
jedoch nicht als Tatsachenbehauptung eingestuft, sondern als bloße
Meinungsäußerung - und als solche soll der Konzern sie ohne
Faktencheck weiter verbreiten dürfen. Das ist aus Verbrauchersicht
nicht akzeptabel", erklärte foodwatch-Klageführer Oliver Huizinga.
"Wir warten jetzt die Urteilsbegründung ab und werden sehr genau
prüfen, ob wir in Berufung gehen."

Unilever selbst hatte in der Verhandlung darauf gedrängt, seine
Aussage nicht als Tatsachenbehauptung, sondern als Meinungsäußerung
einzustufen. Die Unterscheidung ist mehr als eine juristische
Spitzfindigkeit: Nur eine Tatsachenbehauptung muss einer Überprüfung
auf den Wahrheitsgehalt standhalten. Der Unilever-Anwalt erklärte bei
der mündlichen Verhandlung, das Abstreiten von Hinweisen auf
Nebenwirkungen habe "keinen Tatsachenkern". Oliver Huizinga von
foodwatch: "Es ist bemerkenswert, dass Unilever die Sicherheit seines
Quasi-Medikaments in Margarineform nicht tatsächlich belegen kann,
sondern lediglich zweifelhafte Meinungen zu dieser für alle Kunden
entscheidenden Frage verbreitet. Für mich wäre spätestens das der
Grund, ein solches Produkt niemals zu kaufen."

In dem Verfahren vor dem Landgericht Hamburg ging es nicht um die
lebensmittelrechtliche Zulassung von Becel pro.activ, sondern um die
Frage, ob eine den Tatsachen widersprechende Aussage Unilevers über
sein Produkt äußerungsrechtlich verboten werden kann. Bereits im
November 2011 hatte foodwatch die Vermarktung der Margarine wegen des
unbewiesenen gesundheitlichen Nutzens und der ungeklärten
Nebenwirkungen als Verbrauchertäuschung kritisiert und auf
www.abgespeist.de eine Beschwerde-E-Mail-Aktion an den Hersteller
gestartet. In einer Antwort an die Unterzeichner der E-Mail-Aktion
und in einer Pressemitteilung ("Wissenschaftler bestätigen die
cholesterinsenkende Wirkung von Becel pro.activ" vom 15.11.2011)
behauptete Unilever unter Verwendung von Zitaten eines
Wissenschaftlers, es gebe bei Becel pro.activ "aus wissenschaftlicher
Sicht keinen Hinweis" auf Nebenwirkungen. Tatsächlich hat jedoch eine
ganze Reihe wissenschaftlicher Studien den Verdacht erhärtet, dass
die der Margarine zugesetzten Pflanzensterine das verursachen können,
was sie eigentlich verhindern sollen: Ablagerungen in den Gefäßen und
damit ein erhöhtes Risiko auf Herzkrankheiten. Das staatliche
Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) und die europäischen
Fachgesellschaften für Herz-Kreislauf-Krankheiten EAS (European
Atherosclerosis Society) und ESC (European Society of Cardiology)
äußerten sich kritisch zu Lebensmitteln mit zugesetzten
Pflanzensterinen.

foodwatch-Klageführer Oliver Huizinga: "Das Urteil des
Landgerichts öffnet einer Masche der Lebensmittelindustrie Tür und
Tor, die die Verbraucher in Zukunft bei vielen angeblichen
Gesundheitswunderprodukten in die Irre führen könnte: Die Unternehmen
spannen unparteiisch und glaubwürdig erscheinende Wissenschaftler vor
ihren Werbekarren - weil deren Aussagen aber als bloße
Meinungsäußerung eingestuft werden, dürfen sie verbreitet werden, ob
sie wahr sind oder nicht."

foodwatch fordert daher ein grundsätzliches Verbot von
gesundheitsbezogener Werbung für Lebensmittel. Produkte mit
medizinischer Wirkung dagegen sollen ein arzneimittelrechtliches
Zulassungsverfahren samt zugehörigen Langzeitstudien durchlaufen und
- ggf. auf ärztliches Rezept - in der Apotheke verkauft werden.
Oliver Huizinga von foodwatch: "Becel pro.activ ist wie ein
Medikament, mit dem Menschen unkontrolliert an ihren Blutwerten
herumdoktern, gefährliche Nebenwirkungen nicht ausgeschlossen - das
hat im Supermarkt nichts verloren."

Link:

Informationen zu Becel pro.activ:
http://www.abgespeist.de/becel_proactiv

Redaktionelle Hinweise:

Fragen & Antworten zum gesundheitlichen Nutzen und zur Sicherheit
von Becel pro.activ: http://bit.ly/VFLxnl

Übersicht über wissenschaftliche Hinweise auf Nebenwirkungen:
http://bit.ly/Sn8jVR

foodwatch-Klageschrift: http://bit.ly/O1VE27

Bildmaterial unter http://www.foodwatch.de/material-abgespeist



Pressekontakt:

foodwatch e.V.
Christiane Groß
E-Mail: presse@foodwatch.de
Tel.: +49 (0)30 / 24 04 76 - 2 90


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