BERLINER MORGENPOST: Vier Fäuste, halleluja! / Leitartikel von Hajo Schumacher
Geschrieben am 15-12-2012 |
Berlin (ots) - Die Cowboy-Phase ist eigentlich vorbei in der
deutschen Politik. Entweder regieren starke Frauen wie Merkel, Kraft,
Kramp-Karrenbauer, Lieberknecht oder eher unauffällige Männer wie
Scholz, Sellering, Kretschmann und McAllister. Aus der Mode kam der
Typus des klassischen Alphamännchens, dem man zutraut, morgens nach
Rocky-Manier ein paar rohe Eier zu verdrücken, das sich lieber zofft,
als eine Entspannungsmeditation zu machen, und die Traute hat,
"Gedöns" zu sagen. Doch nun ist die Langeweile vorbei. Knarzend
öffnet sich die Saloon-Tür, Musik von Ennio Morricone liegt in der
Luft, das Publikum hält die Luft an. Ja, es ist noch ein wenig
gewöhnungsbedürftig, wenn Jürgen Trittin und Peer Steinbrück Seite an
Seite die Bühne betreten; zwei Kämpfer, denen man nicht sofort enge
Freundschaft zutraut. Immerhin: Die beiden bieten ein kraftvolles,
durchaus aggressives, jedenfalls nicht langweiliges Motiv, das die
Pofalla-haltige Berliner Welt bereichert - zwei Himmelhunde auf dem
Weg zum Kanzleramt. Jeder für sich ist ein wenig merkwürdig, aber im
Doppelpack bilden die beiden ein strategisches spannendes Duo, das
die auseinanderdriftenden Wählerwelten links von Merkel bedient -
wenn die beiden zusammenhalten. Trittin ist einer der wenigen
Kollegen, die Peer Steinbrück halbwegs ernst nehmen dürfte. Der lange
Grüne, den immer noch die K-Vergangenheit umweht, gehört zu den
erfahrensten Politikern des Landes. Er hat schon mit Schröder in
Niedersachsen regiert, er litt an Fischer, war aber der Garant dafür,
dass die Grünen sich als berechenbare Regierungspartei präsentieren.
Trittin beherrscht die Kunst, Realpolitik zu machen, zugleich aber
die Basis mit Revolutionsrhetorik bei Laune zu halten. Er hat sein
Umweltministerium ordentlich geführt, ist fleißig, vor allem aber
zuverlässig. Er läuft fast jeden Tag, aber ohne Kamera. Trittin ist
berechenbarer als Steinbrück und für den SPD-Kandidaten ein Geschenk.
Denn so einen Desperado gibt es in der SPD nicht: links, loyal,
regierungserfahren, bei Jungen und Frauen vermittelbar - das schafft
Ralf Stegner in 100 Jahren nicht. Und so ersteht ein Duo wieder auf,
das von 1998 in Erinnerung ist. Damals bediente der Realo Schröder
die Mitte, ein gewisser Oskar Lafontaine die Klassik-Wähler. Für 2013
tritt eben ein rot-grünes Duo an, aber mit dem gleichen strategischen
Ziel - sie bedienen eine weitere Wählerkundschaft und nehmen dem
jeweils anderen den Schrecken. Mit Trittin bekommt Steinbrück endlich
die Beinfreiheit, die er sich selbst durch Überanpassung an die
Folkloregruppen der SPD bereits zu nehmen drohte. Die strategischen
Vorteile sind offenkundig. Erstens stehen die beiden für Ausgleich.
Wem der eine zu extrem ist, dem gibt der andere das Gefühl: wird
schon nicht so schlimm. Zweitens: Gemeinsam sprechen die beiden
Wählergruppen von Schröders Neuer Mitte bis weit ins Lager der
Linkspartei an. Drittens bilden die beiden knorzigen Kerle einen
stabilen kulturellen Gegenentwurf zur Kanzlerin. So kann es
geschehen, dass Merkel zwar die Wahlen gewinnt, aber Steinbrück und
Trittin die Mehrheit haben. Schwarz-Grün darf man getrost als Option
für äußerste Notfälle betrachten. Zumal es nur einen gibt, der, wenn
überhaupt, der Öko-Partei diesen radikalen Kulturbruch vermitteln
könnte: Jürgen Trittin.
Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
437351
weitere Artikel:
- Sonntag aktuell: SONNTAG AKTUELL zum Amoklauf in Newtown: Stuttgart (ots) - Obama beklagt zu Recht, dass die Nation solche
Tragödien schon "zu viele Male" erdulden musste. Und er forderte
zum politischen Handeln auf. Das hat er aber auch nach den
Schüssen auf eine Abgeordnete 2011 in Tucson gesagt. Nur geschehen
ist danach nichts. Amerika ist nicht das einzige Land, wo verwirrte
Menschen ihre Albträume ausleben wollen. Man macht es ihnen aber
nirgendwo leichter als dort. Und selbst wenn es Obama
diesmal ernst ist, daran etwas zu ändern, heißt das noch lange nicht, mehr...
- WAZ: FDP-Generalsekretär Döring gegen Debatte über mehr Videoüberwachung Essen (ots) - Nach dem gescheiterten Bombenattentat am Bonner
Hauptbahnhof hat sich FDP-Generalsekretär Patrick Döring gegen den
Vorschlag von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) für mehr
Videoüberwachung ausgesprochen. "Wir brauchen jetzt keine neue
Debatte über Strafverschärfungen oder mehr Videoüberwachung", sagte
Döring den Zeitungen der WAZ-Gruppe (Montagausgaben). "Vielmehr sind
effektive Sicherheitsbehörden nötig, die den Fall aufklären."
Pressekontakt:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: mehr...
- WAZ: Ein Land erstickt an Gewalt
- Kommentar von Dirk Hautkapp Essen (ots) - Nach jedem Blutrausch das gleiche makabre Ritual.
Amerika blickt in die Gesichter der Angehörigen. Reporter befeuern
Mitleid. Politiker äußern Trauer und Entsetzen. Am Ende lässt der
Mann im Weißen Haus halbmast flaggen, geißelt die sinnlose Gewalt,
wirbt um Rückbesinnung auf amerikanische Werte - bis zum nächsten
Amoklauf. Echtes Innehalten, spürbare Gegenmaßnahmen: Fehlanzeige.
Die Hasenfüßigkeit der Politik vor der Waffenlobby bleibt. Mehr noch.
Die Angst vor jenen, die damit drohen, den bis zu Unkenntlichkeit
verbogenen mehr...
- "DER STANDARD"-Kommentar: "Wir Spekulanten" von Andreas Schnauder Nach der Salzburg-Affäre wird das Volk für noch dümmer
verkauft als vorher
Wien (ots) - Ein Häuslbauer wird sich bei der Finanzierung gut
überlegen, welchen Kredit er nimmt. Seit ihm die Verschuldung in
Franken verwehrt ist, kommen beispielsweise Darlehen mit fixen oder
variablen Zinsen infrage. Womit er schon mit einem Fuß in der
Spekulation ist: Bei der Wahl fixer Zinsen wettet der Hausbauer
darauf, dass er mit variablen Zinsen über die Laufzeit des Darlehens
schlechter fährt. Müssten somit derartige Entscheidungen nicht mit
jenem mehr...
- Freie Presse (Chemnitz): Kommentar zum Schulmassaker in Newtown Chemnitz (ots) - Bereits zum vierten Mal in seiner Amtszeit hat
Barack Obama gestern an einer Trauerfeier nach einem Amoklauf
teilgenommen. In einem Land, in dem bis zu 300 Millionen Waffen in
Privathand sind, muss man davon ausgehen, dass er nicht zum letzten
Mal einen solchen schweren Gang angetreten haben wird. Ganz
offensichtlich ist der US-Präsident aber nicht mehr bereit, nach den
Trauergottesdiensten wieder zur Tagesordnung überzugehen. Wenn der
mächtigste Mann der Welt die Tränen nicht zurückhalten kann und ihm
vor Trauer mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|