Lausitzer Rundschau: Von wegen Schönfärberei
Zur Diskussion über Armut in Deutschland
Geschrieben am 18-12-2012 |
Cottbus (ots) - Kein Zweifel, in einem reichen Land wie
Deutschland gibt es auch viel Armut. Das ist kein Ruhmesblatt. Und es
gibt zahllose Vorschläge, was dagegen getan werden könnte.
Vernünftige und weniger vernünftige. Die Medien berichten darüber
regelmäßig. Und kaum ein Tag vergeht, an dem Politiker sie nicht
thematisieren. Sage also niemand, Armut werde verharmlost oder gar
schöngeredet. Wenn die Nationale Armutskonferenz diese Behauptung
trotzdem aufstellt, dann wider besseres Wissen. Sicher, die FDP in
Gestalt von Wirtschaftsminister Philipp Rösler hatte den Versuch
unternommen, einige Passagen des noch unveröffentlichten Armuts- und
Reichtumsberichts zu glätten. Doch als das bekannt wurde, ging ein
Aufschrei durchs Land. Nach diesem Echo darf man getrost davon
ausgehen, dass es nicht bei der "Bereinigung" im Sinne der Liberalen
bleiben wird. In der allgemeinen Armutsdebatte macht sich allerdings
auch ein anderes Phänomen bemerkbar: Genauso häufig wird
dramatisiert. Es war immerhin die Bundesarbeitsministerin, die vor
wenigen Monaten ein besorgniserregendes Bild über die künftige
Situation der Älteren zeichnete, um ihrem Lieblingsprojekt, der
Zuschussrente, politische Flügel zu verleihen. Die drastische
Prognose hat offenkundig ihre Wirkung nicht verfehlt. Allerdings wohl
eine andere, als sich von der Leyen gewünscht hätte. Nach einer
aktuellen Untersuchung des Münchner Max-Planck-Instituts gehen
inzwischen 38 Prozent der privaten Haushalte davon aus, dass sie
eines Tages auf die staatliche Grundsicherung im Alter angewiesen
sein werden. Tatsächlich aber hat die Hälfte von ihnen bereits
Rentenansprüche erworben, die über diesem Sicherungsniveau liegen. Im
Klartext: Das deutsche Rentensystem ist besser als sein Ruf. Wenn es
sogar von Regierungspolitikern mies gemacht wird, muss man sich
freilich nicht wundern. Eine wirksame Bekämpfung von Altersarmut kann
nicht erst im Rentenalter beginnen. In erster Linie entscheidet ihr
Arbeitsleben darüber, ob Senioren gut oder schlecht gestellt sind.
Das ist eine banale Erkenntnis. Aber leider ist sie bei den
politischen Akteuren noch viel zu wenig verbreitet. Ansonsten müssten
sie nämlich viel stärker gegen Unternehmen vorgehen, deren
Geschäftsmodell auf Hungerlöhnen basiert. Sie müssten endlich einen
flächendeckenden Mindestlohn durchsetzen, der zwar nicht alle
Rentenprobleme lösen, aber die schlimmsten Auswüchse am Arbeitsmarkt
beseitigen kann. Und sie müssten ihre Entscheidung revidieren und für
Langzeitarbeitslose wieder Beiträge in die Rentenkasse einzahlen. Die
Beispiele sinnvoller Maßnahmen ließen sich noch fortsetzen. Beim
Thema Armut gibt es längst kein Erkenntnisproblem mehr. Wohl aber ein
Umsetzungsproblem.
Pressekontakt:
Lausitzer Rundschau
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