Weser-Kurier: Zum EU-Russland-Gipfel schreibt der Bremer WESER-KURIER:
Geschrieben am 21-12-2012 |
Bremen (ots) - Spricht man in Russland über die EU, dann
interessiert die Russen vor allem eines: Wann kommt die Abschaffung
der Visapflicht? Seit Jahren beteuern Vertreter aus Brüssel und
Moskau, dass sie an einer Lösung des Problems arbeiten. Und seit
Jahren sind die Fortschritte minimal. Auch der jüngste
EU-Russland-Gipfel brachte keinen Durchbruch. Schuld daran ist vor
allem die Unehrlichkeit der Europäer. In Lippenbekenntnissen preisen
sie die Visafreiheit als gemeinsames Ziel, um dann in den
Verhandlungen eine bürokratische Hürde nach der anderen zu entdecken.
Der wahre Grund für dieses Hinauszögern: Innerhalb der EU gibt es
tief sitzende Ressentiments gegen Russland. Brüssel fürchtet Gefahren
für die Sicherheit, weil russische Pässe nicht fälschungssicher sind
und die Behörden nicht genug gegen Korruption und organisiertes
Verbrechen tun. Größer noch ist die Angst vor einer Welle illegaler
Einwanderer aus Russland und den verarmten Ex-Sowjetrepubliken. In
Russland gilt für die Bürger dieser Staaten keine Visapflicht. Die
Grenzen sind schlecht gesichert, und Millionen von Wanderarbeitern
aus Zentralasien und dem Kaukasus strömen legal und illegal in die
russischen Metropolen. Möglicherweise möchten die Verantwortlichen in
der EU aber auch nicht von der Visapflicht lassen, weil sie damit ein
politisches Druckmittel aus der Hand geben würden. Gerade haben die
USA vorgeführt, wie das geht: Das neue amerikanische Magnitski-Gesetz
droht russischen Beamten mit Einreiseverbot, wenn sie an
Menschenrechtsverletzungen beteiligt waren. Die russische Machtelite
trifft das ins Mark, weil viele Immobilienbesitz in den USA haben und
sich häufig dort aufhalten. Schon gibt es in der russischen
Öffentlichkeit Gerüchte, die Europäer planten ähnliche Gesetze. In
der Tat ist die zunehmende Missachtung der Menschenrechte in Russland
ein Grund, um die Ressentiments innerhalb der EU noch weiter wachsen
zu lassen. Genauso wie die provokativen anti-westlichen Töne, mit
denen sich Vertreter des Putin-Systems gerne hervortun. Es bräuchte
also mehr Ehrlichkeit und mehr Realitätssinn im Umgang miteinander.
Die Russen müssten einsehen, dass die Kalte-Kriegs-Rhetorik ein
Anachronismus ist, der in die moderne Weltordnung nicht passt. Und
die Europäer sollten offen sagen, was ihnen Angst und Unbehagen
macht.
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Weser-Kurier
Produzierender Chefredakteur
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