Mittelbayerische Zeitung: Ein wichtiges Signal
Geschrieben am 13-01-2013 |
Regensburg (ots) - Von Ulrich Krökel
Die Tschechen haben bei der ersten Direktwahl ihres
Staatspräsidenten ein Fest der Demokratie gefeiert. Nicht nur, dass
die Beteiligung mit rund 60 Prozent auf einem deutlich höheren Niveau
lag als erwartet. Vor allem stellten die Wähler selbst die klügsten
Prognosen auf den Kopf. Sie bewiesen damit einen erstaunlich reifen
politischen Eigensinn. Und es könnte sogar noch besser kommen, denn
in der ersten Runde fiel keine Entscheidung. In einer Stichwahl
stehen sich Ende Januar mit dem aristokratisch-konservativen
Außenminister Karel Fürst zu Schwarzenberg und dem linken Querdenker
Milos Zeman zwei ausgesprochen charismatische Politiker gegenüber.
Der spektakuläre erste Wahlgang war im Wortsinne verrückt. Die Bürger
rückten mit ihrer Stimmabgabe jenes schiefe Bild zurecht, das
Demoskopen und andere Experten gezeichnet hatten. Der parteilose
Ex-Premier Jan Fischer galt als klarer Favorit. Doch statt der
erwarteten 27 Prozent erhielt der einstige Chef des Zentralen
Statistikamtes nur gut 16 Prozent und wurde abgeschlagen Dritter
-durchgefallen. Dabei war Fischer der personifizierte Gegenentwurf
zum unbeliebten scheidenden Staatschef Vaclav Klaus, der nach zwei
Amtszeiten nicht mehr kandidieren durfte. Wiedergewählt hätten die
Tschechen den radikalen EU-Gegner und notorischen Provokateur ohnehin
nicht. Sie hatten längst genug von dessen politischen Eskapaden.
Dennoch erteilten die Tschechen auch dem farblosen Klaus-Kontrast
Fischer, der 2009 und 2010 eine durchaus erfolgreiche
Expertenregierung geführt hatte, eine klare Absage. Stattdessen fuhr
der mal grantelnde, mal gemütlich Pfeife rauchende Fürst zu
Schwarzenberg mit 23,4 Prozent fast dreimal so viele Stimmen ein wie
vorhergesagt. Als Konservativer pflegt er eine unorthodoxe Nähe zu
den Grünen. Vor allem aber steht Schwarzenberg für eine
proeuropäische Ausrichtung. Die kluge Botschaft der Wähler war damit
klar: Wir wollen einen dezidiert politischen Präsidenten auf der
Prager Burg, aber keinen Egomanen. Das belegt auch der zwiespältige
Erfolg von Milos Zeman, der mit 24,2 Prozent zwar die erste Runde für
sich entschied. Ein Durchmarsch blieb dem 68-Jährigen aber trotz des
Fischer-Debakels verwehrt. Zeman ist mit seinem schlagfertigen
Auftreten durchaus populär. Zudem vertritt er wie Schwarzenberg
gemäßigte proeuropäische Positionen. Mitunter aber sitzt bei Zeman
die Zunge so locker, dass er bei den Klaus-geschädigten Bürgern nicht
nur Sympathie, sondern auch Skepsis weckt. In der ersten Runde
entschieden sich deshalb deutlich mehr linke Wähler als erwartet
nicht für Zeman, sondern für den Sozialdemokraten Jiri Dienstbier.
Der Sohn des gleichnamigen Bürgerrechtlers vereinigte mit rund 16
Prozent doppelt so viele Stimmen auf sich als prognostiziert. Auch
dies ist als Zeichen der politischen Reife der Wähler zu lesen.
Jubeln dürfen über das Demokratie-Fest in Tschechien all jene, denen
die EU und die politische Kultur in Europa am Herzen liegen. Anders
als die Ungarn und die Rumänen, die autoritären Populisten wie Viktor
Orban und Viktor Ponta mit Zweidrittelmehrheiten fast
uneingeschränkte Regierungsvollmachten erteilten, streben die
Tschechen in die Mitte. Sie haben das Kunststück vollbracht,
charismatische, politisch profilierte und ein wenig populistische,
vor allem aber zuverlässige Kandidaten in eine Stichwahl zu schicken,
deren Ausgang mitreißend offen ist. Schwarzenberg und Zeman haben
erklärt, dass sie nach ihrer Amtsübernahme auf der Prager Burg neben
der tschechischen wieder die EU-Flagge hissen werden. Vaclav Klaus
hatte dies untersagt. Inmitten der europäischen Dauerkrise kommt
diesem Akt mehr als symbolische Bedeutung zu. Wenn das blaue Tuch mit
den goldenen Sternen wieder über der geschichtsträchtigen Kulturstadt
an der Moldau weht, wird dies auch ein Lebenszeichen des europäischen
Gedanken sein.
Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
440838
weitere Artikel:
- Märkische Oderzeitung: zu Europäische Kulturhauptstadt Frankfurt/Oder (ots) - Die "Europäische Kulturhauptstadt" ist
längst ein Selbstläufer: Nach holprigem Anfang leckt man sich nach
dem Prestige-Titel heute überall die Finger. Für die jeweiligen
Städte verspricht er schließlich nicht nur länderübergreifende
Aufmerksamkeit, sondern auch Großinvestitionen in Kulturprogramme,
Stadtmarketing und Infrastruktur.
Pressekontakt:
Märkische Oderzeitung
CvD
Telefon: 0335/5530 563
cvd@moz.de mehr...
- Märkische Oderzeitung: zu Präsidentenwahl Tschechien Frankfurt/Oder (ots) - Auf der einen Seite der weltläufige und
schillernde Karl zu Schwarzenberg, dessen Biographie noch an Zeiten
der K-und-K-Monarchie erinnert. Auf der anderen Seite der linke
Sozialdemokrat Milos Zeman, dessen Herz für die sozial Schwachen
schlägt. Angesichts solch klarer personeller Alternativen bei einer
Wahl kann man als Deutscher fast etwas neidisch auf die Tschechen
werden.
Pressekontakt:
Märkische Oderzeitung
CvD
Telefon: 0335/5530 563
cvd@moz.de mehr...
- Märkische Oderzeitung: zu Mali Frankfurt/Oder (ots) - Es bleibt der fade Beigeschmack, dass der
zuletzt innenpolitisch stark unter Druck geratene französische
Präsident mit dem Konflikt ein Zeichen der Handlungsfähigkeit setzen
will. Ein unilateraler Präventivschlag, der früher eine Spezialität
der US-Amerikaner war, wird nun auch in Europa salonfähig. Ein
Zeichen gemeinsamer europäischer Außenpolitik ist das nicht.
Pressekontakt:
Märkische Oderzeitung
CvD
Telefon: 0335/5530 563
cvd@moz.de mehr...
- WAZ: Polizei-Puzzle
- Kommentar von Tobias Blasius Essen (ots) - Im Fall des Bonner Bombenfunds geraten tatsächliche
Ermittlungsergebnisse, öffentliche Erwartungshaltung und
veröffentlichte Spekulationen zusehends in ein schwer erträgliches
Spannungsverhältnis. Der islamistische Hintergrund der Tat und die
theoretisch verheerende Wirkung des Sprengsatzes, die längst
Gegenstand politischer Auseinandersetzungen und vieler Schlagzeilen
waren, scheinen nunmehr nicht mehr gewiss.
Zwei Verdächtigen und vielen Schlussfolgerungen zum Trotz: War es
am Ende ein verwirrter Erpresser, der mehr...
- WAZ: Frankreich musste handeln
- Kommentar von Gerd Niewerth Essen (ots) - Frankreichs Präsident François Hollande war kaum im
Amt, da stellte er den ehemaligen Kolonien in Afrika eine radikale
außenpolitische Wende in Aussicht. Die unrühmlichen Zeiten, in denen
sich Frankreich wie ein säbelrasselnder Gendarm gebärdete und
wirtschaftliche Interessen auf seinem "Hinterhof" notfalls mit
Waffengewalt durchzusetzen pflegte, sollten endgültig der
Vergangenheit angehören. Begeht Hollande mit dem Einsatz in Mali nun
Wortbruch? Keinesfalls. Denn in dem afrikanischen Land geht es eher
am Rande um mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|