Westdeutsche Zeitung: Armstrongs Geständnis kommt nicht freiwillig - und zu spät =
von Olaf Kupfer
Geschrieben am 15-01-2013 |
Düsseldorf (ots) - Die US-Talkmasterin Oprah Winfrey hat Lance
Armstrong 120 Fragen gestellt. Nervös sei er gewesen, heißt es.
Manche Antworten haben "fasziniert", sagt Winfrey, die das Interview
eigenproduziert geführt, aber noch nicht ausgestrahlt hat. Und nun
mit allerhand appetitanregender Gefühlsduselei versucht, die
Einschaltquote vorzubereiten. Dabei wird das, was Armstrong zu sagen
hat(te), keinen mehr überraschen können. Viel zu erdrückend sind die
Beweise, die von der amerikanischen Anti-Doping-Behörde Usada in
später, aber imponierender Arbeit zusammengetragen worden sind. Im
Internet sind diese Unterlagen jedem Interessierten seit Monaten frei
einsehbar. Zu übereinstimmend auch die Aussagen vieler Weggefährten
wie Tyler Hamilton, Frankie Andreu oder Floyd Landis, die sein System
in erschreckenden Details preisgegeben haben - und hernach heftig von
Armstrong bedroht wurden. So ist der scheinbar Reumütige keiner, der
auf Nachsicht hoffen darf. Armstrong ist nicht einer der Mitläufer,
die auf Druck hin und aus Angst um ihre Karriere in den Dopingsumpf
gerieten. Er ist einer der Anführer, der jenen Druck aufgebaut und
rücksichtslos jeden aus dem Weg geräumt hat, der den unsauberen Weg
zum trügerischen Ruhm nicht mitgehen wollte. Ein Taktiker auf dem
Rad. Ein Taktiker auch bei diesem Auftritt, den der einstige Held mit
den besten Anwälten seines Landes bis ins Detail geplant hat - weil
er als potenzieller Kronzeuge einer möglichen Gefängnisstrafe wegen
Meineids entgehen kann. Erst die Erkenntnis, die auf ihn zukommenden
Schadensersatzklagen - im Gespräch sind Summen um 60 Millionen Euro -
ohnehin kaum abwenden zu können, lässt Armstrong kühl kalkuliert das
Gefühlskino anwerfen. Armstrong ist ein Gejagter, der einst Jäger
war. In beiden Rollen ist sein Handeln überlegt, und es wird einzig
von Mehrwert sein, inwiefern er Ärzte, Teamchefs, und
Radsport-Funktionäre beschuldigt, die noch heute Verantwortung in
diesem über die Maßen geplagten Sport tragen. Was zunächst bleibt,
ist die Faszination des Voyeurs, der dem gefallenen Helden in die
Augen schauen will, wenn jener von seinem Niedergang berichtet. Erst,
wenn es darüber hinausgeht, hat die Winfrey-Show einen Sinn.
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