Schwäbische Zeitung: Die ganze Wahrheit, bitte - Leitartikel
Geschrieben am 15-01-2013 |
Leutkirch (ots) - Lance Armstrong hat bei der bekanntesten
US-Talkmasterin ausgepackt. Im Fernsehen kennt sich niemand besser
aus als Oprah Winfrey. Im Radsport mit all seinen Doping-Kniffen weiß
keiner besser Bescheid als der siebenmalige Tour-de-France-Gewinner.
Was Armstrong genau gesagt hat, weiß außer den Beteiligten noch
niemand - erst am Mittwoch geht Teil eins dieser TV-Beichte über die
Sender. Armstrong spricht. Dass er bereut, bezweifeln nicht nur
Menschen, die ihn kennen. Bisher hat der Rad-Athlet jeden verfolgt,
der ihn des Dopings bezichtigt hatte. Er ist verurteilt, seine Titel
sind ihm alle aberkannt. Ist aus dem Sport-Saulus deshalb nun ein
dopingbekämpfender Paulus geworden? Lance Armstrong hat den Krebs
besiegt. Er hat die steilsten Berge und die stärksten Konkurrenten
bezwungen. Das Willenswunder ist zum Multimillionär geworden und zum
Superstar, der mit US-Präsidenten plauscht und mit Showstars turtelt.
Wer nicht für und mit ihm war, war gegen ihn. "Ich kann nicht sagen,
dass ich etwas bereue. Es war eine exzellente Zeit", sagte er 2011
bei seinem endgültigen Adieu. Und jetzt reuevolle Buße? Armstrong hat
bislang stets nur das zugegeben, was beim besten Willen nicht mehr zu
leugnen war. Sollte er nun alle Karten auf den Tisch legen, droht ihm
ein Rattenschwanz von Prozessen. Die Sponsoren werden Millionen
zurückfordern, Preisgelder müssen zurücktransferiert werden, der Ruf
seiner Stiftung "Livestrong" wäre ruiniert und er selbst muss
(Meineid) ins Gefängnis. Dass er all dies riskiert, nur um sein
Gewissen zu beruhigen und mächtige Personen im Rad-Weltverband UCI zu
Fall zu bringen, erscheint unwahrscheinlich. Wahrscheinlich gibt es
nur ein Häppchen Enthüllung mehr, ein Quantum Wahrheit. Doch die
ganze Wahrheit muss es sein. Nur dann stürzt das Dopingkonstrukt,
perfektioniert vom Tour-Terminator, ein. Nur dann verschwinden
fragliche Funktionäre. Nur wenn alles in Trümmern liegt, ist ein
Neuanfang möglich, ein sauberer Neuanfang. Der Radsport hätte es
verdient.
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Schwäbische Zeitung
Redaktion
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