BERLINER MORGENPOST: Gut gelaunt durchs Dauerfeuer
Leitartikel von Hajo Schumacher
Geschrieben am 20-01-2013 |
Berlin (ots) - Der Wähler ist und bleibt ein wunderbar
unberechenbares Wesen. Was haben sich Medien, Mobber und
Meinungsforscher abgemüht. Und dann kam alles anders. Wer hätte am
Wahlmorgen mit einer Auferstehung des politischen Untoten Philipp
Rösler gerechnet? Die Messerstecher in der FDP hatten sein Ende
beschlossen. Und nun? Fast zehn Prozent, mit denen er seinem alten
Freund McAllister womöglich ganz knapp den Ministerpräsidentenposten
rettet. Zu selbstgewiss war der Amtsinhaber in diese Wahl gezogen;
offenbar waren die Niedersachsen nicht ganz so überzeugt von ihrem
Regierungschef wie er von sich selbst. Gegenentwurf ist der leise
Stephan Weil, mit dem sich ein politischer Trend fortsetzt. Wie
Scholz, Albig, Sellering, Kretschmann, Kraft, Dreyer scheint der
Typus des soliden Erledigers zuzulegen.
Weils SPD hat trotz Stolper-Steinbrück knapp drei Prozent
hinzugewonnen, was ihm allerdings nicht genug sein dürfte. Vor
Antritt des Kanzlerkandidaten hatte es nach einem klaren rot-grünen
Sieg ausgesehen. Auch wenn der negative Effekt nicht so dramatisch
war wie befürchtet, gilt das eherne Gesetz: Mit Steinbrück gewinnt
man keine Wahlen. Da können die Grünen noch so viel dazugewinnen und
die Linke zugleich verlieren. Für Meuchelei allerdings dürfte das
gestrige Votum nicht reichen.
Der Held von Hannover bleibt Philipp Rösler. Weil es ihm gelang,
sein Volk zu mobilisieren. Die Niedersachsen sind sich ihrer Rolle
als bundesweiter Seismograf durchaus bewusst und zugleich ein
patriotischer Haufen. 1998 wählte das Bundesland keinen
Ministerpräsidenten, sondern einen Kandidaten. "Ein Niedersachse muss
Kanzler werden", hieß der Schlachtruf damals. An diesem Wochenende
lautete das Motto der niedersächsischen Liberalen, von denen man gar
nicht wusste, dass es überhaupt so viel gibt: "Wir lassen unseren
Philipp nicht niedermobben von den Niebels und Brüderles und
Kubickis." Dieses Wahlergebnis hatte weniger mit Landespolitik zu tun
als mit einem Aufschrei des Missfallens gegenüber fortgesetzter
Niedertracht. Galten die Überraschungserfolge der FDP in
Schleswig-Holstein und NRW noch als Verdienst der Exoten Kubicki und
Lindner, wurde in Niedersachsen vor allem der frühere
Wirtschaftsminister und Fraktionschef Rösler gewählt. Selten ist ein
Politiker im Dauerfeuer so zäh gut gelaunt geblieben wie Rösler; der
sich in den letzten Tagen wie ein Diesel durch die norddeutsche
Tiefebene gerackert hat. Der FDP-Erfolg birgt eine weitere Botschaft:
Die Liberalen bilden, trotz all ihrer unsinnigen Kabbeleien, den
einzigen Gegenpol zu den drei sozialdemokratisierten Parteien CDU,
SPD und Grüne. Und: Vielleicht ist gerade dieser Rösler mehr FDP als
der ganze schwatzende Rest zusammen.
Was lehrt Niedersachsen nun für die Bundestagswahl in acht
Monaten? Die CDU ist nicht so stark, wie sie sich fühlt. Die FDP ist
nicht so tot, wie sie aussieht. Und eine Fortsetzung von Schwarz-Gelb
in Berlin nicht mehr ganz so undenkbar. Rot-Grün wiederum hat nur
eine Chance, wenn der Bundestag aus den klassischen vier besteht.
Sicher ist nur eines: Es wird knapp.
Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
442160
weitere Artikel:
- Badische Neueste Nachrichten: Machtblöcke im Patt Karlsruhe (ots) - Niedersachsen schreibt Wahlgeschichte. In einem
Krimi der hin und her wogenden Mehrheitsverhältnisse bleibt am Ende
ein Patt der Machtblöcke Schwarz-Gelb und Rot-Grün. Damit hat der
Wahlkrimi keinen eindeutigen Sieger und die Frage, wer im
zweitgrößten Bundesland Ministerpräsident wird, bleibt offen. Der CDU
gelingt in Hannover in jedem Fall ein Achtungserfolg. Monatelang war
ihr Bündnis mit der FDP ein sicheres Auslaufmodell. Mit einer
plötzlich wie Phönix aufsteigenden FDP könnte die bürgerlich-liberale
Regierungsstrecke mehr...
- Neue OZ: Kommentar zu Niedersachsenwahl Osnabrück (ots) - Wahlen haben in der Regel einen Sieger. Diese
Landtagswahl hat bis auf Weiteres zwei halbe Gewinner: David
McAllister und Stephan Weil. Sie müssen sich nun auf eine
Konstellation einigen, die gut ist für Niedersachsen. Vieles spricht
nach dem voraussichtlichen Patt an Sitzen für eine Große Koalition,
damit stabil regiert werden kann. Eine rot-gelb-grüne Ampel oder eine
schwarz-grüne Regierung sind unrealistisch. Ein eindeutiges Votum der
Wähler hätte anders ausgesehen. Sie haben ihre Stimmen nahezu gleich
auf die mehr...
- Badische Neueste Nachrichten: Die zweite Amtszeit Karlsruhe (ots) - Zweite Amtszeiten amerikanischer Präsidenten
können gefährlich werden. Richard Nixon stürzte über Watergate,
Ronald Reagan quälte sich durch die Iran-Kontra-Affäre, Bill Clinton
hatte wegen der Affäre mit Monica Lewinsky ein
Amtsenthebungsverfahren am Hals. George W. Bush wurde restlos
entzaubert, als New Orleans nach dem Wirbelsturm Katrina in den
Fluten versank. Nur ging Reagan eben auch als Sieger des Kalten
Krieges in die Geschichtsbücher ein, natürlich verklärt von seinen
Fans. Und an die Ära Clintons denken mehr...
- Göring-Eckardt (Grüne): Wahlergebnis in Niedersachsen Rückenwind für Bundestagswahl Bonn/ Berlin (ots) - Bonn/Berlin, 20. Januar 2013 -Katrin
Göring-Eckardt (Bündnis 90/Die Grünen), hat den Stimmenzuwachs ihrer
Partei bei der Niedersachsen-Wahl "als großartiges Ergebnis, dass
auch ein Ergebnis der Glaubwürdigkeit und des Einsatzes für die grüne
Politik in Niedersachsen" sei, bezeichnet. Mit Blick auf die
Bundestagswahl, sagte Spitzenkandidatin der Grünen: "Der Rückenwind
ist auf jeden Fall da. Und ein knappes Ergebnis ist eher Ansporn, als
dass wir uns zurücklehnen würden." Dass die SPD dazu gewonnen habe,
sei ebenfalls mehr...
- Laut Brüsseler Expertenkommission könnten Sanktionen des Westens durch die entstehende Allianz zwischen Iran und Armenien umgangen werden Brüssel (ots/PRNewswire) -
Im Blickpunkt eines Berichts der Brüsseler Expertenkommission
European Strategic Intelligence and Security Center (ESISC) steht der
von verschiedener Seite als "unheilige Allianz" bezeichnete
Zusammenschluss zwischen dem islamistischen Iran und dem christlichen
Armenien. Analysten warnen davor, dass diese Allianz die Tragweite
der Sanktionen des Westens schmälern könnte.
Analysten des ESISC erklärten auch, die Allianz mit dem Iran
erlaube Armenien, den schwelenden Bergkarabachkonflikt weiter
hinauszuzögern, mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|