Börsen-Zeitung: Schwarz-Gelb in der Zange, Kommentar zu den bundespolitischen Auswirkungen der Niedersachsen-Wahl, von Angela Wefers.
Geschrieben am 21-01-2013 |
Frankfurt (ots) - Am Tag nach der Wahl in Niedersachsen zeigten
sich nur vorbildliche Demokraten: Spitzenpolitiker von Rot-Grün
versprachen, die neu gewonnene Mehrheit im Bundesrat mit Augenmaß zu
nutzen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) warnte staatstragend vor
Blockade in der Länderkammer - mit Blick auf die "großen Aufgaben",
die in Europa anstehen.
Die guten Vorsätze und Ermahnungen werden indes nicht lang halten.
Es wäre absurd zu glauben, SPD und Grüne würden den politischen
Vorteil des Machtzuwachses im Bundesrat nicht nutzen. Gab es bislang
eine Patt-Situation in der Länderkammer, gibt die künftige
Stimmenverteilung SPD und Grünen eine Gestaltungsmehrheit. Sie können
Gesetzesinitiativen über die Länderkammer in Gang setzen. Mit dem
emotionsgeladenen Thema "Kampf gegen Steuerhinterziehung" ist dies
schon in Vorbereitung.
Bundestag und Bundesrat sind in der Gesetzgebung
aneinandergekettet. Zwar kann die Länderkammer ohne Bundestag nichts
durchsetzen, aber auch der Bundestag ist machtlos, wenn die Länder
nicht mitziehen. Bei zustimmungspflichtigen Gesetzen - etwa in der
Steuerpolitik - ist der Bundestag komplett auf den Bundesrat
angewiesen. Nur sogenannte Einspruchsgesetze kann die Länderkammer
nicht verhindern, aber immerhin verzögern. Dies trifft auf große
Teile der Finanzmarktregulierung zu, die noch in der
Gesetzgebungs-Pipeline sind.
Erinnerungen an die Bundestagswahl 1998 werden wach. Der damalige
Oppositionsführer und SPD-Parteichef Oskar Lafontaine benutzte
knallhart den Bundesrat, um die schwarz-gelbe Einkommensteuerreform
zu stoppen. Dass die rot-grüne Koalition nach ihrem Wahlsieg über die
Regierung Kohl nur wenig später selbst noch größere
Steuerentlastungen auf den Weg brachte, steht auf einem anderen
Blatt.
Absehbar ist, dass im Bundestagswahlkampf 2013 der Streit durch
die neue Machtverteilung erbitterter wird. Dies wird sich gerade an
den sensiblen und stark umstrittenen Themen wie der Finanzmarkt- und
Bankenregulierung, der Steuerpolitik und der institutionellen
Neuausrichtung Europas zeigen. EU-Altschuldentilgungsfonds,
europäische Bankenabgabe und Finanztransaktionssteuer lauten nur
einige Stichworte auf der rot-grünen Agenda. Schwarz-Gelb ist in der
Zange. Gibt die Koalition Rot-Grün stark nach, um Vorhaben durch die
Länderkammer zu bringen, verwässert sie ihre Inhalte. Fährt sie einen
strikten Kurs, riskiert sie Blockade und Stillstand. Beides schadet
ihr.
(Börsen-Zeitung, 22.1.2013)
Pressekontakt:
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Redaktion
Telefon: 069--2732-0
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