Westdeutsche Zeitung: EU ohne Briten? Warum eigentlich nicht? =
von Lothar Leuschen
Geschrieben am 24-01-2013 |
Düsseldorf (ots) - Alle Menschen werden Brüder, alle Starken
ziehen an einem Strang, an dessen Ende die Schwachen hängen und das
Tal des Elends verlassen. Soweit das Ideal. So hätte die Europäische
Union vielleicht einmal sein sollen. Schöner Traum. Aber die Realität
ist eine andere. Zwar schaffen es Schuldenstaaten wie Griechenland
und Portugal dank der EU-Hilfen offenbar tatsächlich, ihrem
weitgehend selbst verschuldeten Alptraum zu entkommen. Aber
Brüderlichkeit wollte und will sich in Europa dennoch nicht so recht
breitmachen.
Großbritanniens Ministerpräsident David Cameron ist dieser Tage
der Buhmann der Union. Er droht, die EU zu sprengen. Denn schon
melden sich in Italien konservative Kräfte zu Wort, die über die
Zugehörigkeit ihrer Nation zur Europäischen Union abstimmen lassen
wollen. In Spanien haben sie es noch ein paar Nummern kleiner. Dort
strebt Katalonien nach Unabhängigkeit und hat schon die rechtlich
zweite Stufe der Freiheitsrakete gezündet. Ganz zu schweigen von
Schottland, das sich möglicherweise aus dem britischen Verbund lösen
will. Camerons Spaltereigedanken sind also nur die Spitze des
Eisbergs. Die EU droht daran zu zerschellen.
Doch wie schlimm wäre das eigentlich? Ist die Staatengemeinschaft
ohne Großbritannien, ohne Italien und womöglich ohne den neuen
Kleinstaat Katalonien am Ende? Nein, ist sie nicht. Abgesehen davon,
dass selbst Cameron in seiner Heimat derzeit keine Mehrheit für den
Austritt aus der EU fände, wäre die Union vielleicht gut beraten, aus
dem jahrzehntelangen britischen Egoismusexzess die Konsequenz zu
ziehen und sich gesundzuschrumpfen.
Das gäbe überschuldeten Staaten wie Griechenland und Portugal oder
solchen mit noch geringerer Wirtschaftsleistung wie Bulgarien und
Rumänien die Chance, sich außerhalb der EU, aber mit deren Hilfe
vorzubereiten, um zum richtigen Zeitpunkt in die Union
zurückzukehren.
Europa sollte sich derweil auf jene beschränken, die auch
Einigkeit wollen und nicht nur Profit. Das könnte einen Prozess in
Gang setzen, an dessen Ende in absehbarer Zeit ein funktionierender
europäischer Staat mit vielen Nationalitäten steht, der nach den
Regeln der Vernunft wachsen kann. Ob mit oder ohne Briten, ist egal.
Pressekontakt:
Westdeutsche Zeitung
Nachrichtenredaktion
Telefon: 0211/ 8382-2370
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