DER STANDARD-Kommentar "Kurzsichtige Klientelpflege" von Anita Zielina
Geschrieben am 25-01-2013 |
"Österreichs Politik setzt auf viel Emotion und wenig Vision"
- Ausgabe 26.1.2013
wien (ots) - Fast wirkt es, als wären Politiker und Journalisten
überrascht, dass es bei demokratischen Abstimmungsergebnissen ein
demografisches Gefälle gibt. Dass das Argument des drohenden
Zusammenbruchs des Sozialsystems bei Wegfall der Zivildiener, das die
ÖVP im Vorfeld der Wehrdienst-Volksbefragung bemühte, bei ihrer
Klientel auf fruchtbaren Boden fiel, kann man dieser nicht vorwerfen
- wohl aber den handelnden Politikern.
Statt einer Sicherheitsdebatte setzte die Volkspartei auf die Angst
ihrer Kernwähler, sich im Alter keine Pflege und Betreuung mehr
leisten zu können. Die SPÖ hatte dem nichts entgegenzusetzen - sie
verabsäumte es, die Diskussion mit Fakten zum Berufsheer und mit
sozialpolitischen Vorstößen auf den Boden der Tatsachen
zurückzuholen. Zusammenfassen lässt sich das direktdemokratische
Experiment vom vergangenen Wochenende mit wenigen Worten: viel
Emotion, wenig Vision.
So ganz genau weiß auch heute noch niemand, wie sich die beiden
Koalitionsparteien die Sicherheitspolitik der Zukunft vorstellen, von
der Sozialpolitik gar nicht erst zu reden. Und warum auch? De facto
befinden wir uns schon mitten in einem Wahlkampf, der uns bis zum
vermutlichen Termin der Nationalratswahl im Herbst nicht mehr
loslassen wird.
Der Fluch der modernen parlamentarischen Demokratie ist unter anderem
die ihr eigene Verlockung, kurzfristig zu planen und zu agieren. Wer
heute als Politiker an der Macht ist, der wird geradezu ermuntert,
nicht weiter als bis zum nächsten Wahltag zu denken. Die Folge:
Kurzsichtige Klientelpflege siegt über strategische Planung.
Weitsichtigkeit und Visionen sind Werte, die in der österreichischen
Politik und den Parteien nicht nur selten geschätzt, sondern auch oft
skeptisch beäugt werden. Statt Strategie zählt Taktik, statt
Weitblick Parteiräson. Wenn so mit der Demokratie umgegangen wird, wo
bleibt dann der Aufschrei? Er ist bereits da, nur äußert er sich eher
leise als laut: nämlich in einer konstant steigenden Anzahl von
Nichtwählern, Politikverdrossenen und Enttäuschten.
Zukunftskongresse aller Art tragen allerhöchstens stolz die
Jahreszahl 2020 im Namen - wohl wissend, dass selbst der damit
abgesteckte Zeitraum noch extrem kurz angesetzt ist. Wer das Sozial-
und Pensionssystem, die Gesundheitsversorgung, die Sicherheitspolitik
und die Europafrage nachhaltig und ernsthaft behandeln will, dessen
Horizont darf nicht 2020 enden - und schon gar nicht am Wahltag.
Ja, Österreich braucht eine breite Debatte über Gerechtigkeit, eine
große, parteiübergreifende Diskussion über Zukunftsvisionen. Über die
Verteilung von Vermögen und Belastungen, die Besteuerung von Arbeit
und bestehenden Werten, die Ein- und Auszahlungen in und aus dem
sozialstaatlichen Topf, die Chancen der Jungen und den Lebensstandard
der Alten. Aber diese Debatte darf nicht im Wahlkampfgeplänkel
untergehen, und sie darf nicht auf die reine Altersfrage reduziert
werden.
Die kommenden Jahre werden entscheiden, wie und ob Europa als
Sozialprojekt erfolgreich ist. Wir brauchen einen Zukunftskongress,
der seinen Namen verdient hat - unter Einbeziehung aller
demografischen Gruppen. Wenn die Politik den notwendigen Weitblick
nicht bieten kann, muss die Bevölkerung das selbst in die Hand
nehmen.
Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445
Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
443356
weitere Artikel:
- Neue Westfälische (Bielefeld): KOMMENTAR
Großbritannien und die Europäische Union
Camerons gewagtes Spiel
QUENTIN PEEL Bielefeld (ots) - Obwohl der britische Premierminister David
Cameron den Ruf hat, risikoscheu zu sein, geht er in seiner neuen
Europapolitik gleich zwei Wagnisse ein. Das größte Wagnis ist, seine
politische Zukunft mit einem unberechenbaren Referendum zu
verknüpfen, das erst in fünf Jahren stattfinden wird. Obwohl er sagt,
dass er für ein klares "Ja" stehe, muss er wissen, dass Referenden
häufig in Richtung "Nein" tendieren. Das zweite Wagnis ist, dass er
sich auf Angela Merkel verlässt, dass sie ihm Freiheiten lässt, die
Bedingungen mehr...
- Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar
Kampfdrohnen für die Bundeswehr
Sachliche Abwägung
ALEXANDRA JACOBSON, BERLIN Bielefeld (ots) - Es ist zu begrüßen, dass alles Militärische in
Deutschland öffentlich hinterfragt und diskutiert wird. Schon aus
historischen Gründen ist die Grundstimmung pazifistisch. Dass die
Bundesregierung die Anschaffung bewaffneter Drohnen plant, hat
deshalb die erwartbare Entrüstung der Opposition, besonders der
Grünen und der Linken, auf sich gezogen. Ob der Einsatz unbemannter
bewaffneter Flugzeuge im Antiterrorkrieg ethisch vertretbar ist, ist
eine zulässige Frage. Es wäre nur gut, wenn es sich keine Seite bei
der Beantwortung mehr...
- Rheinische Post: Deutsche Drohnen
= Von Helmut Michelis Düsseldorf (ots) - Roboter, die in fremde Staaten fliegen,
Verdächtige eliminieren und dabei auch Unbeteiligte nicht verschonen
- diese Sorge vor einem Einsatz bewaffneter Drohnen bei der
Bundeswehr ist überzogen. Der wachsende Widerstand in linken und
kirchlichen Kreisen resultiert möglicherweise aus einem
Missverständnis: An den strategischen Einsatz von Kampfmaschinen, die
in Tausenden Kilometer Entfernung Terroristenführer jagen, wie es die
USA in Pakistan oder im Jemen praktizieren, ist bei den deutschen
Drohnen nicht gedacht. mehr...
- Rheinische Post: Eine Chance für den WDR
= Von Ulli Tückmantel Düsseldorf (ots) - Was auch immer die persönlichen Gründe von
WDR-Intendantin Monika Piel sind, sehr vorzeitig das Amt
niederzulegen, sie sind natürlich zu respektieren. Überraschend mag
der Zeitpunkt sein und in Piels persönlichen Gründen seine Ursache
haben. Grundsätzlich aber haben viele WDR-Mitarbeiter gar nicht damit
gerechnet, dass Monika Piel sich den (sehr gut bezahlten) Stress auf
dem WDR-Chefsessel wirklich bis 2019 antun würde. Das haben sie schon
bei Piels Wiederwahl im Mai 2012 nicht geglaubt. Im eigenen Haus galt
Piel mehr...
- Weser-Kurier: Zur elektronischen Fußfessel schreibt der "Weser-Kurier" (Bremen) in seiner Ausgabe vom 26. Januar 2013: Bremen (ots) - Bei der Frage, wie als gefährlich eingestufte
ehemalige Straftäter behandelt werden sollen, stehen sich zwei
Interessen gegenüber: auf der einen Seite die Freiheitsrechte
desjenigen, der seine Strafe bereits verbüßt hat, und auf der anderen
Seite das Bedürfnis der Bevölkerung, vor potenziell Kriminellen
geschützt zu werden. Die elektronische Fußfessel, die Betroffene
überwacht, scheint da ein guter Kompromiss zu sein. Die Technik
fördere die Resozialisierung der ehemaligen Häftlinge, die sich in
ihrem familiären Umfeld mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|