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Westdeutsche Zeitung: Kardinal Meisners überraschende Umkehr hilft auch der Kirche = Von Lothar Leuschen

Geschrieben am 31-01-2013

Düsseldorf (ots) - Selten dürfte ein Umfaller so viel Zustimmung
geerntet haben wie Joachim Kardinal Meisner. Ab sofort können Ärzte
in katholischen Krankenhäusern vergewaltigten Frauen die "Pille
danach" verschreiben. Dabei muss es sich um ein Medikament handeln,
das ein Ei vor der Befruchtung schützt. Die Abtreibungspille lehnt er
weiter kategorisch ab.

Aber nicht nur deshalb verbietet es sich, von einer rundum guten
Nachricht zu sprechen. Der Betonkatholik aus Köln hat in dieser
schrecklichen Geschichte auch sehr viel Porzellan zerschlagen. Dass
gleich zwei katholische Krankenhäuser in Köln einer vergewaltigten
Frau die Hilfe verweigerten, wird so schnell niemand vergessen.
Dieser Skandal schadet den katholischen Kliniken und er schadet der
katholischen Kirche insgesamt.

Doch ehe nun weiter mit Worten auf den streitbaren Kardinal
eingedroschen wird, sei ein tieferer Blick auf das Dilemma gestattet,
in dem die katholische Kirche sich in der Frage von
Schwangerschaftsabbruch befindet. Eine Glaubensgemeinschaft, die sich
dem Schutz auch des ungeborenen Lebens so fest verschrieben hat wie
die Katholiken, fällt es naturgemäß schwer, einem Impuls zu folgen
und nach einem noch so schrecklichen Vorfall Grundsätze über Bord zu
werfen.

Die Kirche muss sich allerdings den Vorwurf gefallen lassen, dass
sie einen so dramatischen Fall wie den von Köln offenbar nie in ihre
Überlegungen einbezogen hat. Wenn ein Dogma dem gesunden
Menschenverstand derart deutlich entgegensteht, büßt der Dogmatiker
Glaubwürdigkeit ein.

Diese Erkenntnis könnte Meisner zur Umkehr bewogen haben. Es kann
aber auch sein, dass der Druck von unten in der katholischen Kirche
so groß geworden ist, dass Meisner seine Position aufgeben musste.

Mit seiner Volte hat der Kardinal seiner Kirche und den Frauen auf
jeden Fall einen schon nicht mehr erwarteten Dienst erwiesen. Durch
die nun mögliche Verschreibung eines Medikamentes können auch
katholische Krankenhäuser in der Not helfen, ohne vollends gegen ihre
Grundsätze handeln zu müssen. Es hat quälend lange gedauert. Aber
auch im Sinne potenzieller Vergewaltigungsopfer sowie der Ärzte ist
spät besser als nie.



Pressekontakt:
Westdeutsche Zeitung
Nachrichtenredaktion
Telefon: 0211/ 8382-2370
redaktion.nachrichten@westdeutsche-zeitung.de
www.wz-newsline.de


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