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Börsen-Zeitung: Geräuschloser Entzug, Börsenkommentar "Marktplatz", von Georg Blaha.

Geschrieben am 01-02-2013

Frankfurt (ots) - Für alle, die ihr Geld mit dem Schüren von
Inflationsängsten verdienen, ist es natürlich eine schlechte
Nachricht. 137 Mrd. Euro haben die Banken der Eurozone in der
beendeten Handelswoche der Europäischen Zentralbank (EZB) aus den
beiden Dreijahrestendern vorzeitig zurückgezahlt. Die
Überschussliquidität im Eurosystem, die nach der "Dicken Berta", wie
EZB-Chef Mario Draghi die beiden langfristigen
Refinanzierungsoperationen auch nannte, in astronomische Höhen
geschossen war, hat sich damit deutlich reduziert.

Im Dezember 2011 und Februar 2012 hatte die Notenbank den
Instituten des Euroraums die bis dahin nicht gesehene Summe von
brutto rund 1 Bill. (netto rund 500 Mrd.) Euro für drei Jahre zur
Verfügung gestellt; nach Ablauf eines Jahres dürfen die Banken mit
den Tilgungen der "Krisentender" beginnen. Von den damals mancherorts
grassierenden Inflationsbefürchtungen hat sich indes nichts
bewahrheitet. Die Sondertilgungen zeigen vielmehr, dass das
großkalibrige Geschütz der EZB vorerst seinen Zweck erfüllt hat -
Bankenpleiten hat es verhindert, und auch wenn die Kreditvergabe in
der Eurozone wie zuletzt leicht rückläufig gewesen ist, wurde eine
stärkere Einschränkung oder gar eine Kreditklemme verhindert.

Dass die Liquiditätsflut in Euroland nun abebbt, hat der guten
Stimmung an den Märkten keinen Abbruch getan. Im Gegenteil, zusammen
mit anderen Indikatoren, wie etwa den sich stabilisierenden
Target2-Salden, die darauf hindeuten, dass sich die Lage in der
Eurozone in kleinen Schritten normalisiert, kamen die Sondertilgungen
als positives Signal an den Märkten an, zumal die Summe für den
ersten Termin die Analystenschätzungen weit übertroffen hat. In einer
ersten Reaktion zogen die Renditen der Bundesanleihen an, während die
für die Staatspapiere der Euro-Peripheriestaaten ihren Abwärtstrend
fortsetzten.

Zum Wochenschluss kam es an den europäischen Bondmärkten
allerdings zu einer leichten Gegenbewegung - nicht jeder scheint dem
neuen Frieden zu trauen. Zudem fallen die Tilgungen für die neue
Woche mit 3,5 Mrd. Euro geringer aus, als mit 20 Mrd. Euro erwartet
worden war. Dies sollte aber niemanden erschrecken. Vielmehr wird
damit das Vorgehen der Banken klar, von denen es viele offenbar
vorziehen, ihre überschüssigen Mittel in einem Aufwasch
zurückzugeben, anstatt sie in mehreren Raten abzustottern. Der Fokus
richtet sich nun auf den 27. Februar. Dies ist der erste Stichtag, an
dem die Banken die Mittel aus dem zweiten Dreijahrestender
zurückzahlen können. Die Daten dazu veröffentlicht die EZB am 22.
Februar. Für diesen Termin lauten die Schätzungen der Analysten auf
100 bis 200 Mrd. Euro. Insgesamt dürften dem Eurosystem dann 240 bis
340 Mrd. Euro an Liquidität entzogen werden. Bislang zeigten die
Banken keine Bereitschaft, die Gelder vom Dreijahrestender in die
regulären Tender der Notenbank mit kürzeren Laufzeiten zu überführen.

Warum sollten die Banken die zum aktuellen Refinanzierungssatz von
0,75% immer noch günstigen Dreijahreskredite vorzeitig tilgen? Für
viele Adressen waren die Mittel eine Vorsichtskasse, die als
risikolose Guthaben oder Einlagen bei der EZB mittlerweile nicht mehr
verzinst wird, also ein Verlustgeschäft darstellt. Seit sich die Lage
in Euroland in der zweiten Jahreshälfte 2012 beruhigt hat, sind auch
die berühmten "Sarko-Trades" (so genannt in Anspielung auf Äußerungen
des früheren französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy), also der
Erwerb von Peripheriepapieren mit dem von der EZB geliehenen Geld,
nicht mehr so attraktiv wie zuvor. Während sechsmonatige italienische
Staatspapiere im Dezember 2011 noch 5 bis 6% abwarfen, sind deren
Renditen diesen Januar zeitweise auf 0,6% gefallen - unter den
Refinanzierungssatz der EZB.

Sicherlich besteht die Gefahr, dass der Liquiditätsentzug zu früh
und zu rasch erfolgt und mit steigenden Sätzen und Risikoaufschlägen
für die Peripherie einhergeht. Auch am Geldmarkt gibt es
Herdenverhalten und Übertreibungen. Dagegen spricht, dass die
Terminsätze bislang trotz der Aussicht auf sinkende Liquidität nur
minimal zulegten, weit weniger etwa als nach dem Auslaufen des
einjährigen "Krisentenders" Mitte 2010. Ohne neue Schocks oder
Krisenereignisse dürfte der Entzug daher recht geräuschlos verlaufen.
Im schlimmsten Falle kann die EZB etwa mit einem neuen Jahrestender
gegensteuern, zudem hat die Notenbank beim Zinsniveau noch 25
Basispunkte Luft nach unten. Angesichts des mittlerweile recht teuer
gewordenen Euro könnte EZB-Chef Draghi nach der Zinssitzung in der
neuen Woche dazu erste Hinweise geben.

(Börsen-Zeitung, 2.2.2013)



Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de


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