DER STANDARD-Kommentar: "Überschätzte Rating-Riesen" von András Szigetvari
Geschrieben am 05-02-2013 |
"Die Klage gegen Standard & Poor's darf nicht zur plumpen
Sündenbock-Suche werden"; Ausgabe vom 06.02.2013
Wien (ots) - In Margin Call, einem Hollywood-Thriller über den
Ausbruch der Finanzkrise, macht der Risikoanalyst Peter Sullivan
spätabends eine schockierende Entdeckung. Sullivan arbeitet für eine
New Yorker Investmentbank, als er zufällig den Wert angeblich
milliardenschwerer Finanzpapiere nachrechnet. Er findet über Nacht
heraus, dass die Papiere der Bank wertlos sind. Das Institut ist
pleite, die Krise nimmt ihren Lauf. Margin Call ist Fiktion, aber der
Film wirft Fragen auf, die bis heute Finanzaufseher beschäftigen:
Wann war der Crash von 2008 abzusehen und wer ist dafür
verantwortlich, dass die Reißleine nicht rechtzeitig gezogen wurde?
Mit seiner Klage gegen Standard & Poor's versucht das
US-Justizministerium erstmals die juristische Verantwortung einer
Ratingagentur für die Krise klären zu lassen. Für die Klage gibt es
gute Gründe: S&P hat toxische Finanzprodukte bis zuletzt mit
Topbonitätsnoten versehen und so ermöglicht, dass die Papiere
weltweit von Banken gekauft wurden. Sicher ist, dass die Rater mit
der Bewertung der Hypothekendeals Milliarden verdienten. Es wäre also
nicht verwunderlich, wenn ihre Neigung, das Treiben zu beenden,
gehemmt war.
Aber was ist vom Vorgehen der US-Behörden zu halten? Ein Verfahren
bietet einerseits die Möglichkeit, die Hintergründe der
Ratingentscheidungen zu beleuchten und Interessenkonflikte
aufzuzeigen. Andererseits wandelt US-Justizminister Eric Holder mit
der Klage auf einem schmalen Grat. Schon ist absehbar, dass sich der
Prozess um methodische Fehler drehen wird. In der Klage ist die Rede
davon, dass S&P Risiken bewusst runterspielte. Wenn im Zuge des
Verfahrens der Eindruck in der Öffentlichkeit entsteht, dass S&P nur
sauberer hätte arbeiten müssen, um die Krise zu erkennen und sie
vielleicht sogar zu verhindern, wäre das fatal.
Denn gerade die Überschätzung der Rating-Riesen ist Teil des
Problems: Rater sind nicht schlauer als andere Investoren. Im
Gegenteil, sie laufen Anlegern mit ihren Downgrades oft nur
hinterher. Das liegt weniger am punktuellen Fehlverhalten einzelner
Akteure. Es zählt zu den Lehren, die im Zuge der Krise wieder
deutlich geworden sind, dass Wirtschaftsprognosen ein mehr oder
weniger gut gemachtes Ratespiel sind. Ökonomische Entwicklungen
folgen keinen Naturgesetzen, und die Modelle der
Wirtschaftswissenschafter liefern kaum Orientierungshilfe für die
Zukunft.
Doch Aufgabe von Ratingagenturen ist es, mit Erfahrungen aus der
Vergangenheit die Zukunft vorherzusagen: Wie entwickeln sich die
Häuserpreise in Kalifornien? Kann Spanien 2014 seine Schulden zahlen?
Alles Prognosen, die seriös kaum möglich sind. Niemand hätte 2006,
als die US-Häuserpreise um 15 Prozent stiegen, wissen können, dass
2007 die Korrektur beginnt. Es gab Warnungen. Aber die Dimension der
Probleme haben weder Politiker oder Journalisten noch Rater erkannt.
Am ehesten trifft zu, was die Juristin Claire Hill schrieb: Die
Exzesse der Finanzbranche haben alle vernebelt.
Trotz ihrer Schwäche wird Ratingagenturen in den USA wie in Europa
nach wie vor stark vertraut. Unzählige Gesetze schreiben die
Verwendung ihrer Bewertungen fest, um Finanzprodukte sicherer zu
machen. Wenn die US-Regierung nun den Branchenprimus klagt, ist das
ein symbolisches Zeichen für eine Trendumkehr. Aber die Diskussion
darüber, wer die Arbeit der Rater künftig machen soll, hat noch nicht
einmal richtig begonnen.
Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445
Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
445264
weitere Artikel:
- Märkische Oderzeitung: Märkische Oderzeitung Frankfurt (Oder) zu Stuttgart 21: Frankfurt/Oder (ots) - Die Frage ist, ob man von einem Großprojekt
in diesem Stadium noch abrücken kann. Experten schätzen die Kosten
dafür auf drei Milliarden Euro. Und in Stuttgart gähnt bereits ein
großes Bauloch. Einen Baggersee daraus zu machen und den BER zu einer
Messehalle umzuwandeln, ist auch keine befriedigende Lösung. Deshalb
fällt der Politik eine ergebnisoffene Debatte nun so schwer. +++
Pressekontakt:
Märkische Oderzeitung
CvD
Telefon: 0335/5530 563
cvd@moz.de mehr...
- Mobile Ergänzung für Mirror Trader New York (ots/PRNewswire) -
Tradency führt mobile Anwendung für Mirror Trader ein
Tradency, der Entwickler von Mirror Trader, der branchenführenden
Plattform für den Devisenhandel, hat eine neue Mobil-App für
Smartphones eingeführt. Ab heute können Anwender von Mirror Trader
die modernen "Trade by Knowledge"-Funktionen der Plattform unterwegs
und an jedem beliebigen Ort nutzen.
In den letzten Jahren wurde das Konzept Mirror Trading bei Brokern
und Händlern immer beliebter, und die neue App ist eine natürliche
Ergänzung mehr...
- WAZ: Gehaltsdeckel liegt im Eigeninteresse. Kommentar von Thomas Wels Essen (ots) - Die deutschen Großkonzerne wären gut beraten, wenn
sie den Vorschlägen zur Deckelung der Managergehälter folgten. Es
wäre ein gutes Signal an die Mitarbeiter, aber auch an die
Gesellschaft, wenn die Aktionäre als Eigentümer diesen Schritt
gingen. Auch im wohlverstandenen Eigeninteresse. Erstens ist es
schlicht nicht vermittelbar, wenn ein Vorstandschef das
Vielhundertfache eines Beschäftigten in der Produktion verdient.
Zweitens schadet es dem Unternehmensimage, wenn es wie VW in die
Schlagzeilen gerät, weil der Konzern-Chef mehr...
- Allgemeine Zeitung Mainz: Konsens, aber... / Kommentar zum Bankenregulierungsplan Mainz (ots) - Wer die Welt durch sein unverantwortliches Handeln
in eine Rezession stürzt, der gehört nicht nur zur Verantwortung
gezogen. Es muss auch gewährleistet sein, dass sich so etwas nicht
wiederholt. Darüber gibt es nach den extrem kostspieligen Erfahrungen
seit 2007 über alle nationalen wie auch Parteigrenzen hinweg
grundsätzlich Konsens. Nun ist Konsens eine Sache, ein Regelwerk mit
wirksamen Kontrollmechanismen und, wenn es nötig ist, auch
Strafmaßnahmen zu installieren, eine völlig andere. Vor allem wenn,
wie in Deutschland, mehr...
- Börsen-Zeitung: Sinnvoller Warnschuss, Kommentar zu Ratingagenturen von Stefanie Schulte Frankfurt (ots) - In der öffentlichen Wahrnehmung ist das Thema
fast verjährt. Spätestens seit Eskalation der Subprime-Krise 2008 ist
bekannt, dass die großen Ratingagenturen bei der Bewertung von
Hypothekenverbriefungen zum Teil schwer danebenlagen. Dennoch greift
die US-Regierung nun in die Vollen und verklagt Standard & Poor's
(S&P) und die Muttergesellschaft McGraw-Hill wegen mutmaßlichen
Betrugs bei der Bewertung von strukturierten Papieren bis 2007. Um
Emittenten nicht zu verärgern, seien die Papiere zu gut bewertet
worden, mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Wirtschaftsnews
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
DBV löst Berechtigungsscheine von knapp 344 Mio. EUR ein
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|