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Mittelbayerische Zeitung: Weggeblasen - Deutschland schickt zum ESC eine Popnummer mit Plagiatsverdacht, weil eine Jury zweifelhaft abstimmt. Von Isolde Stöcker-Gietl

Geschrieben am 15-02-2013

Regensburg (ots) - Ein Synthie-Popsong, so einfallsreich
einfallslos, dass er glatt wie der Siegertitel des Eurovision Song
Contest (ESC) aus dem letzten Jahr klingt, das ist also unser Song
für Malmö. Cascada hat den deutschen Vorentscheid gewonnen. Die
Kritik, die deshalb seit Donnerstagnacht das Internet durchzieht,
zeigt, wie wenig nah der Liederwettbewerb noch am Publikum ist. Ganz
Radio-Deutschland stimmt für LaBrassBanda, mit zehn Punkten holt die
Band aus dem Chiemgau auch die zweithöchste Punktzahl bei den
Fernsehzuschauern, doch am Ende reicht es nicht, weil eine Jury
lieber Playback vom Band hört, als live gespielte Blasmusik. Der ESC
hat in Deutschland einen neuen Tiefpunkt erreicht und steht nun
wieder dort, wo er vor der Ära Stefan Raab stand. Das zeigte sich
auch bei den Zuschauerzahlen. Mit 3,24 Millionen vor dem Fernseher
und 10,4 Prozent Marktanteil lag die von Anke Engelke moderierte
Sendung sogar unter dem ARD-Normalniveau. Auch musikalisch gab es nur
wenige Höhepunkte. Spannend war eigentlich nur die Wertung und der
Sturm der Entrüstung, der danach entfachte. Mag sein, dass fünf
barfüßige, bayerisch singende Männer in Lederhosen in Schweden nicht
gewonnen hätten. Aber wie die russischen Babuschkas im vergangenen
Jahr, hätten sie für Farbe gesorgt und für Originalität. Es ehrt
LaBrassBanda, dass sie die Entscheidung sportlich nehmen, doch wer
sich wirklich für Musik interessiert, der kann darüber nur den Kopf
schütteln. Eine Band, die ihre Songs selbst schreibt, die diese live
auf der Bühne vorträgt und dabei ganz nah am Publikum ist, erhält von
einer angeblichen Fachjury dafür keine Anerkennung. Wenn es nicht auf
Können ankommt, dann ist ein nationaler Wettbewerb überflüssig. Man
hätte einen alten DSDS-Gewinner oder X-Faktor-Teilnehmer ausgraben
können oder gleich eines von Klums Topmodeln. Mit viel
Synthesizer-Sound lassen sich auch stimmliche Schwächen übertünchen.
Der Eindruck entsteht, die Kunst des ESC besteht darin, künstlich zu
sein. Allerdings muss man Cascada nach diesem unglücklich verlaufenen
Abend auch ein bisschen in Schutz nehmen. Mit ihrem Dance-Pop haben
sie weltweit bereits 30 Millionen Platten verkauft. Ihre Single
"Everytime We Touch" schaffte es auf Platz 2 in den britischen Charts
- und immerhin bis auf Platz 67 in den US-Charts. Sie haben den World
Music Award und den Comet gewonnen. Das zeugt von einem Gefühl für
Trends. Doch das hat sie - oder genau genommen ihre Berater - bei der
Songauswahl für den ESC verlassen. Dass "Glorious" dem Siegertitel
"Euphoria" aus dem vergangenen Jahr schon sehr nahe kommt, hört sogar
der Laie. Aber vielleicht war auch genau das der Grund, warum man die
plagiatsverdächtige Nummer ins Rennen geschickt hat? Nun ist es, wie
es ist. Und auch die über 6000 LaBrassBanda-Fans die sich bis
Freitagnachmittag auf Facebook für eine neue Abstimmung ausgesprochen
haben, werden daran nichts mehr ändern - sofern sich seltsame
Zufälligkeiten nicht doch noch als Schiebereien entpuppen. Denn es
gibt eine Sache, für die sich die ARD als deutscher Ausrichter gute
Argumente überlegen muss: Vier der fünf ESC-Jurymitglieder arbeiten
mit der Plattenfirma Universal zusammen wie auch die Siegerin
Cascada. Diese Plattenfirma brachte 2012 auch den Sampler zum
ESC-Entscheid auf den Markt. LaBrassBanda steht aber neuerdings bei
Sony unter Vertrag. Musste die Jury etwa die Notbremse ziehen?



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


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