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Mittelbayerische Zeitung: Teure Lust auf Fleisch Der Pferdefleischskandal zeigt einmal mehr: Wir müssen unser Verhältnis zu Lebensmitteln verändern. Von Christian Kucznierz

Geschrieben am 19-02-2013

Regensburg (ots) - Pferdefleisch anstatt Rindfleisch in
Fertiggerichten? Ein Skandal! Gammelfleisch im Döner? Auch ein
Skandal. Gift im Frühstücksei? Genau. Skandale, wohin man blickt.
Freilich ist das, was die vielen schwarzen Schafe in der
Lebensmittelindustrie den Kunden in den vergangenen Jahren im
wahrsten Sinne des Wortes aufgetischt haben, nicht akzeptabel und
kriminell. Der eigentliche Skandal aber liegt ganz woanders: Wir
haben den Bezug zu unseren Lebensmitteln verloren. Warum regen wir
uns über Pferdefleisch im Essen auf, nicht aber darüber, dass im
Supermarkt ein fertiges Fleischgericht für unter zwei Euro zu kaufen
ist? Schließlich muss jedem klar sein, dass irgendwer irgendwo auch
noch etwas an dem Gericht verdienen will. Und dass für die
Fertiglasagne ein Tier gestorben ist, das für diesen Preis kein
gesundes und glückliches Leben geführt hat. Wem das egal ist, der
sollte sich überlegen, warum eine frische, selbst gekochte Lasagne,
bei der der Koch sich auch bei der Auswahl der Zutaten Mühe gemacht
hat, besser schmeckt. Daraus aber die Schlussfolgerung zu ziehen,
dass alleine der Preis die Stellschraube ist, an welcher der
Verbrauchter drehen kann, um nicht schlechtes oder falsch
etikettiertes Essen serviert zu bekommen, ist nicht ganz richtig.
Denn auch Hersteller teurer Produkte müssen nicht zwangsläufig
bessere Qualität liefern; erstens, weil auch sie von Zulieferern Ware
erhalten, und zweitens, weil keiner etwas zu verschenken hat. Im
Zweifel ist beim teureren Produkt nur der Gewinn für den Hersteller
größer; für den Verbraucher ändert sich dann nichts, außer, dass er
zu viel bezahlt. Auch die Idee, der Kunde sei König und könne über
sein Verhalten bestimmen, was in die Regale der Supermärkte kommt,
ist nur bedingt richtig. Denn nicht jeder kauft bewusst ein; und
nicht jeder, der bewusst einkauft, bekommt auch das, was er glaubt zu
kaufen. Der Pferdefleischskandal ist hierfür schließlich Beleg. Es
hilft nichts, auf die Verpackung zu schauen, wenn der Hersteller
nicht draufschreibt, was drin ist. Das zu ändern wäre Aufgabe der
Politik, die aber ein weiteres Mal versagt hat. Es ist wohlfeil,
Aufklärung zu fordern, wie es Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner
(CSU) getan hat; Aufklärung erwartet ohnehin jeder, nicht nur sie.
Die Frage ist: Warum hat keiner genau hingeschaut, als verdorbenes
Fleisch zu Döner verarbeitet wurde? Warum hat keiner gemerkt, dass
belastete Eier in den Handel gelangt sind? Wo waren die Behörden, die
kontrollieren sollten, bevor es etwas aufzuklären gab? Das Problem
ist zudem, dass einer mächtigen und global vernetzten
Lebensmittelindustrie auf nationaler Ebene gar nicht mehr beizukommen
ist. Trotzdem werden seitens der Einzelstaaten - auch von Deutschland
- hartnäckig strengere Kennzeichnungspflichten abgelehnt, nur um sie
im Krisenfall einzufordern. Weil die Politik in solchen Zeiten
versagt, ist der Verbraucher gefragt: Er hätte es in der Hand, sich
nicht nur zu empören, solange ein Skandal in den Medien Thema ist.
Der Druck zur Aufklärung alleine reicht nicht, um Geschäftemacherei
auf Kosten unserer Gesundheit langfristig zu verhindern. Die
Trinkwasserrichtlinie der EU, die in diesen Tagen eine vorher nicht
bekannte Mobilisierung der Menschen in Europa auslöste, zeigt, dass
Bürgerprotest einen anderen Umgang mit und eine andere
Betrachtungsweise von den Dingen erzwingen kann, die wir zum Leben
benötigen. Wir sollten uns überlegen, dass die durchschnittlich 1097
Tiere, die ein Deutscher in seinem Leben isst, irgendwo herkommen
müssen. Und dass die Lust auf immer verfügbares, billiges Fleisch uns
teurer zu stehen kommt, als wir das gerne hätten. Der nächste Skandal
ist nur eine Frage der Zeit.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


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