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BERLINER MORGENPOST: Sanierungen sind nicht erwünscht Leitartikel von Matthias Wulff über die Verbote der Bezirke und welchen Preis wir für den Dirigismus zahlen müssen.

Geschrieben am 21-02-2013

Berlin (ots) - Zumindest hat der Wahnsinn Methode. In
Kreuzberg-Friedrichshain wurde vom Bezirksamt nun für einige Gebiete
untersagt, Einbauküchen und Doppelhandwaschbecken einzubauen. Die
Entscheidung passt zu dem Erlass aus Pankow vor ein paar Wochen. Dort
ist der Einbau von Kaminen und Fußbodenheizungen und der Einbau eines
zweiten Bades bei kleineren Wohnungen verboten. Auf diese Weise
wollen die Bezirkspolitiker den Anstieg der Mieten eindämmen.

Das ist ein interessanter Wendepunkt für eine Gesellschaft, die
eine Restidee von Marktwirtschaft mit sich herumträgt und in der es
Konsens zu sein schien, dass Eigentum gehegt und gepflegt werden
sollte. Nun drehen die Bezirke den Spieß um: Eigentum verpflichtet in
Deutschlands Hauptstadt, nichts zu machen. Der Verdacht ist etwas
populistisch, aber verführerisch naheliegend, dass hier Bürokraten
die Wende rückwärts vollziehen und den sozialistischen Weg (weil er
schon einmal so gut geklappt hat ... ) einschlagen. Der Staat mischt
sich in die Gestaltung eines Badzimmers ein. Wie dreist ist das
eigentlich?

Aber das ist ein wenig zu simpel, diese Linie entspricht nicht der
Haltung des Senats, vor allem nicht der des Regierenden
Bürgermeisters. Klaus Wowereit ist in spartanischen Verhältnissen
aufgewachsen, daher fehlt ihm wohl der Hang, ärmliche
Wohnverhältnisse zu romantisieren. Er wünscht sich explizit, dass in
den Wohnstandard investiert wird, gerade damit Menschen mit mittlerem
und gutem Einkommen in die Stadt kommen. Das ist erstrebenswert, will
man nicht, dass Berlin auf Dauer Hochburg der
Sozialleistungsempfänger bleibt.

Dass die Bezirke mit ihrem Vorschriftenkatalog Investoren
abschrecken, nehmen sie billigend in Kauf. Klar, der Einbau eines
Doppelwaschbeckens entscheidet nicht über den Kauf und die Sanierung
einer Immobilie, aber die Symbolik dieser Entscheidung sollte man
auch nicht unterschätzen. Hier in Berlin gibt es offensichtlich
übergriffige, dirigistische Bürokraten, so ist die Außenwirkung, die
ohne Bedenken in das Eigentum anderer eingreifen. Will man in so
einer Stadt sein Geld lassen?

Ein Eindruck drängt sich auf, der bereits bei der
Touristen-Diskussion eingetreten ist. Mag es für Bewohner einer jeden
Metropole üblich sein, ein wenig abschätzig auf Ortsfremde
herabzuschauen, so ist diese Ablehnung hier besonders ausgeprägt.
Grob vereinfacht (aber nicht sehr grob), lebt Berlin vor allem von
Touristen. Jedes Jahr kommen mehr und mehr Menschen in die Stadt und
lassen ihr Geld hier. Man sollte sie eigentlich nett behandeln. Und
es kommen auch Menschen, denen es so gut gefällt, dass sie gleich
hierbleiben wollen und mit ihrem Geld Wohnungen und Häuser kaufen und
sie hübsch machen wollen. Auch die sollte man nett behandeln.

Berlin ging es über Jahrzehnte nicht gut, beide Teile wurden von
außen finanziert und aufgepäppelt. Das hat augenscheinlich die
Mentalität geprägt: Private Investoren gelten als irgendwie
verdächtig und sind im Grunde Spekulanten. An bescheidene
Verhältnisse gewöhnt, wird jede Aufhübschung als Gentrifizierung
gebrandmarkt. Auch ein Boom will gelernt sein, sonst ist er schnell
Geschichte.



Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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