Stuttgarter Zeitung: Leitartikel zu zehn Jahren Agenda 2010
Geschrieben am 11-03-2013 |
Stuttgart (ots) - "Entweder wir modernisieren, oder wir werden
modernisiert", lautete der zentrale Satz, der den früheren Kanzler
Gerhard Schröder zum Handeln trieb. Um Deutschland wieder an die
Spitze in Europa zu führen, so hatte er angekündigt, "werden wir
Leistungen des Staates kürzen, Eigenverantwortung fördern und mehr
Eigenleistung von jedem Einzelnen abfordern müssen". Heraus kam die
für Deutschland sicherlich bedeutendste Reform der vergangenen 20
Jahre, mit der es gelang, erstmals seit den 80er Jahren den
Automatismus steigender Arbeitslosenzahlen umzukehren.
Gleichzeitig hat die Reform nicht nur Schröder sein Amt und die
SPD die Mehrheitsfähigkeit gekostet, sondern auch gravierende
Nebenwirkungen gehabt, etwa in Form eines übergroßen
Niedriglohnsektors, einer Armada von Leiharbeitern und einer weiteren
Spreizung der Vermögen.
Sicherlich muss hier korrigiert werden. Und doch greift die
Verteilungsdebatte zu kurz. Denn ähnlich wie Schröder es geschafft
hat, wieder mehr Menschen in Arbeit zu bringen, muss es auch künftig
darum gehen, wie sich Deutschland und Europa im internationalen
Wettbewerb behaupten. Das hängt aber weniger an der Frage von
Mindestlohn oder Vermögensabgabe, sondern daran, wie etwa
Innovationskultur und Gründergeist gestärkt werden, wie Zuwanderung
organisiert und die Bildung verbessert wird.
Zehn Jahre nach dem Schröder'schen Reformschub, im Jahr acht der
Kanzlerschaft Angela Merkels, ist die Veränderungsbereitschaft zum
Erliegen gekommen. In Sachen Reformeifer sortiert die Vereinigung der
Industrieländer OECD Deutschland inzwischen auf dem letzten Platz in
Europa ein. Der nächste Kanzler muss dafür sorgen, dass sich dies
wieder ändert.
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