DER STANDARD-Kommentar: "Klarstellung und Aufklärung" von Alexandra Föderl-Schmid
Geschrieben am 12-03-2013 |
"In Österreich sind noch längst nicht alle Mythen über die
NS-Zeit zerstört"; Ausgabe vom 13.03.2013
Wien (ots) - Es waren wichtige Klarstellungen, die der
österreichische Bundespräsident Heinz Fischer in der
Gedenkveranstaltung zum 75. Jahrestag des "Anschlusses" an
Nazi-Deutschland vorgenommen hat. Das Staatsoberhaupt sprach vom "Tag
der Schande" und vom sogenannten "Anschluss". Deutlich benannte er
die Mitschuld der Österreicher. Diese seien "massiv" an NS-Verbrechen
beteiligt gewesen. Er sprach sich auch klar gegen einen Schlussstrich
aus, bekundete Respekt vor den Deserteuren der Wehrmacht und ließ
keinen Zweifel daran, dass "Gesten der Entschädigung" zu spät erfolgt
seien.
Der Bundespräsident ging damit über das hinaus, was Bundeskanzler
Franz Vranitzky 1993 und Fischers Vorgänger Thomas Klestil ein Jahr
später gesagt hatten: Sie hatten sich als offizielle Repräsentanten
erstmals klar von der vorherrschenden Sichtweise distanziert, dass
Österreich das erste Opfer der Nazi-Aggression geworden und der
sogenannte "Anschluss" erzwungen gewesen sei.
Ihre Aussagen waren klare Worte nach der jahrelangen Debatte über die
sogenannte "Pflichterfüllung" des dennoch gewählten Bundespräsidenten
Kurt Waldheim, die Kulturkämpfe um ein Antifaschismus-Denkmal am
Albertina-Platz und das Theaterstück Heldenplatz von Thomas Bernhard.
Bis in die 1990er-Jahre wollten viele Österreicherinnen und
Österreicher nicht an der Nachkriegssicht rütteln. Opfer und Täter
hatten sich eingerichtet im sogenannten Neuen Österreich, wie dies
Robert Schindel in seinem jüngsten Buch Der Kalte eindrücklich
beschreibt. Die Sozialpartnerschaft und die Konsenssuche waren der
Kitt in den Nachkriegs- und Wiederaufbaujahren. Die Deutschland auch
von außen aufgezwungene Vergangenheitsbewältigung ersparte sich
Österreich jahrzehntelang.
Inzwischen ist das Thema Aufarbeitung auch in Österreich angekommen:
Die Verbrechen der Nazizeit, begangen auch durch Österreicher, werden
in Schulen nicht mehr länger ausgespart. Enkel tun sich leichter,
Großvätern Fragen zu stellen, als die Nachkriegsgeneration. Auf allen
TV-Kanälen werden Dokumentationen ausgestrahlt. Ausstellungen wie
jene mit dem Titel Nacht über Österreich in der Nationalbibliothek -
auf deren Balkon Adolf Hitler damals zu den Massen auf dem
Heldenplatz sprach - tragen mit den dort gezeigten Aufnahmen dazu
bei, den Opfermythos sichtbar zu zerstören: Die sogenannten Opfer
jubelten zu Zehntausenden auf dem Heldenplatz und beklatschten die
sogenannten "Reibpartien", in denen Juden zur Reinigung von Straßen
gezwungen worden waren. Die damalige Verzweiflung seitens der
wirklichen Opfer wird in den ausgestellten Kalendereintragungen etwa
der Publizistin Hilde Spiel deutlich: "Die Eltern sitzen im Feuer.
Der Teufel regiert."
Eine vom Standard zum Jahrestag in Auftrag gegebene Umfrage - die
insbesondere in ausländischen Medien von der BBC über die
Nachrichtenagentur Reuters bis zur Süddeutschen Zeitung ausführlich
zitiert worden ist - sorgte zu Recht für Aufsehen: Dass 42 Prozent
der Befragten in Österreich meinen, "unter Hitler war nicht alles
schlecht", zeigt, dass noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten ist.
"Die Verdrängungskultur ist in Österreich etabliert", schreibt Alfred
Goubran in seinem Buch Der gelernte Österreicher. Deshalb müssen
Aufarbeitung und Aufklärung weitergehen, vieles muss immer wieder
klar gesagt werden - 75 Jahre danach darf es keinen sogenannten
Schlussstrich geben.
Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445
Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom
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