Westdeutsche Zeitung: Zweifelhafter Handel um die Wahrheit =
von Peter Kurz
Geschrieben am 19-03-2013 |
Düsseldorf (ots) - Zentrales Anliegen des Strafprozesses ist die
Ermittlung des wahren Sachverhalts. Eine Selbstverständlichkeit?
Keineswegs. Denn wenn es eine wäre, hätte das
Bundesverfassungsgericht sie in seinem Urteil zu Absprachen im
Strafprozess nicht ausdrücklich betonen müssen. Dass die höchsten
Richter dennoch das Ziel der Wahrheitsfindung allen am Strafprozess
Beteiligten eindringlich nahelegten - Staatsanwälten, Verteidigern
und sogar Richtern -, zeigt vor allem eines: Um dieses wichtige
Prinzip ist es in der Praxis nicht immer gut bestellt. Der Deal, die
Absprache, oder - wie es offiziell heißt - die Verständigung der
Prozessbeteiligten bietet offenbar einen starken Anreiz, es mit der
Wahrheitsfindung nicht so genau zu nehmen. Es wäre naiv gewesen, vom
Verfassungsgericht zu erwarten, dass es die Absprachen verbietet.
Absprachen, in denen dem Angeklagten klargemacht wird: Wenn du
gestehst, kommst du mit einer milderen Strafe davon. Es gibt durchaus
gute Argumente für solche Deals. Die Gerichte sind überlastet,
endlose Verfahren und die dadurch zunehmende Überlastung der Justiz
und Wartezeiten in anderen Fällen sind auch nicht gut für das
Gerechtigkeitsgefühl. Hinzu kommt, dass ein schnelles Geständnis im
Interesse von Tatopfern oder Zeugen liegen kann, denen damit eine
psychisch belastende Aussage im Gerichtssaal erspart wird. Dennoch
ist der Eindruck, dass bei vielen Deals unwürdig mit Gerechtigkeit
gehandelt wird, fatal. Oftmals ist der Angeklagte nicht mal dabei,
wenn Verteidiger, Richter und Staatsanwalt das Strafmaß auskungeln.
Dem Angeklagten wird ein Geständnis aufgedrängt - mit der mehr oder
weniger subtil ausgesprochenen Drohung, dass es sonst für ihn viel
schlimmer kommen werde. Auch wenn man diese Verständigungen noch
widerwillig akzeptiert - ein solches Geständnis darf jedenfalls nicht
ohne nähere Überprüfung zur Grundlage des Urteils gemacht werden.
Dies verlangt Karlsruhe mit deutlichen Worten von Richtern und
Staatsanwälten. Die Juristen-Kollegen stehen nun unter Bewährung.
Verbessert sich die Praxis nicht, werden sie vielleicht schon in ein
paar Jahren erleben, dass das Bundesverfassungsgericht ihnen das so
liebgewonnene Instrument des Deals ganz aus der Hand schlägt.
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Nachrichtenredaktion
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