Sexueller Missbrauch in Kinderpsychiatrie in Marsberg: Opfer brechen in WDR-Sendung Westpol ihr Schweigen
Geschrieben am 23-03-2013 |
Düsseldorf (ots) - In der Kinder- und Jugendpsychiatrie St.
Johannesstift in Marsberg gab es in den 50er und 60er Jahren massive
sexuelle Übergriffe durch Pfleger und Nonnen. Das berichten
Betroffene nach Jahrzehnten des Schweigens im WDR-Politikmagazin
Westpol (WDR Fernsehen, Sonntag, 24.3., 19.30 Uhr).
Einer der Patienten beschreibt in der morgigen Sendung, wie ihn
eine Schwester der Vincentinerinnen 1964 im Alter von 13 Jahren
mehrfach in ihr Zimmer beordert habe. Dort habe er sich ausziehen
müssen, die Schwester habe sexuelle Handlungen an ihm vorgenommen.
Ein weiterer damaliger Patient schildert, von Nonnen immer wieder
extensiv im Genitalbereich gewaschen worden zu sein.
Die Schilderungen ergänzen Berichte von Ehemaligen zu massiven
Übergriffen im St. Johannesstift und an weiteren Kinder- und
Jugendpsychiatrien, über die Westpol in den letzten Wochen berichtet
hat. Zahlreiche Betroffene geben an, in den Einrichtungen bis in die
70er Jahre geschlagen und mit Medikamenten ruhig gestellt worden zu
sein. Sie seien mit eiskalten Bädern gequält und in Einzelzellen
gesperrt worden. Berichte dieser Art kommen von ehemaligen Patienten
aus Kinder- und Jugendpsychiatrien in Marsberg, Bad Oeynhausen und
Schleswig.
Experten halten die Schilderungen für glaubwürdig. "Das sind
Einrichtungen, in denen Menschen über 24 Stunden des Tages einer
Fremdbestimmung unterworfen sind, und auch keine Möglichkeit haben,
über das, was ihnen dort geschieht, nach außen zu berichten, sich zu
beschweren, jemanden zu finden, der ihnen zuhört. Wenn sie versuchen,
innerhalb der Institution sich dagegen zu wehren, dann werden sie für
diese Gegenwehr noch bestraft", sagt der Sozialpädagoge und
Psychotherapeut Manfred Kappeler.
Von der Westpol-Redaktion mit den Vorwürfen der Psychiatrieopfer
konfrontiert, zeigt sich die Generaloberin der Vincentinerinnen,
Schwester M. Cäcilie Müller, tief betroffenen: "Das löst in mir
unendliche Betroffenheit aus und auch ein Stückchen Beschämung, wenn
ich sagen muss, dass Schwestern meiner Gemeinschaft mitgewirkt haben
diesbezüglich und ich möchte mich auch im Namen dieser Mitschwestern,
die leider nicht mehr leben, aufrichtig entschuldigen für das ihnen
zugefügte Leid." Mit Betroffenen, die sich an die Vincentinerinnen
wenden, möchte die Generaloberin Gespräche führen, um die
Vergangenheit aufzuarbeiten. Bis 1980 waren die Nonnen im St.
Johannesstift in Marsberg für Pflege und Versorgung zuständig.
Auch der Träger der Einrichtung in Marsberg, der
Landschaftsverband Westfalen Lippe, hat nach den Westpol-Recherchen
nun erste Konsequenzen gezogen. Der Verband lädt Betroffene zu
Gesprächen ein. Meinolf Noecker, der Krankenhausdezernent des LWL
sagt: "Wir stehen am Anfang der Analysen, aber die Aussagen, die uns
bis jetzt vorliegen haben für mich einfach eine so hohe
Glaubwürdigkeit, dass ich auch jetzt schon heute an diesem Tage diese
Entschuldigung, dieses Mitgefühl, diese Anteilnahme, diesen Respekt
vor dem erlittenen Schicksal ausdrücken kann und wir die
Verantwortung dafür auch übernehmen. Und insofern bitten wir
tatsächlich und nachhaltig und aus tiefem Herzen heraus die
Betroffenen um Entschuldigung."
Bislang haben Menschen, die in der Kinder- und Jugendpsychiatrie
Opfer von Gewalt und sexuellen Übergriffen geworden sind kein Anrecht
auf Entschädigung. Sie sind als Opfergruppe beim Runden Tisch
"Heimerziehung" ausgespart worden. In einer Petition an den Bundestag
fordern sie, dass ihr Leid nun aufgearbeitet wird. Und sie wollen
Entschädigung.
Mit Quellenangabe Westpol (Sonntag, 24.3.2013, 19.30 Uhr) ab
sofort zur Veröffentlichung frei.
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Pressekontakt:
Redaktion Landespolitik FS
Funkhaus Düsseldorf
Telefon 0172-2513064
westpol@wdr.de
Uwe-Jens Lindner
WDR Presse und Information
Telefon 0173-5469044
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