Neue Westfälische (Bielefeld): KOMMENTAR
Streit um Sitze beim NSU-Prozess
Berechtigte Kritik
BERNHARD HÄNEL
Geschrieben am 02-04-2013 |
Bielefeld (ots) - Der Vorsitzende Richter im Münchner NSU-Prozess
ist gewiss ein ehrenwerter Bürger und ein erfahrener Richter.
Fingerspitzengefühl aber geht Manfred Götzl dennoch ab. Bei der
Vorbereitung ordnete er alles dem Ziel unter, keinen Grund für eine
Revision zu liefern. Alles andere interessiert nicht. Durch die
gewählte Art der Verteilung der Presseplätze mag dem Grundsatz der
Öffentlichkeit des Verfahrens formal Genüge getan worden sein; sie
erwies sich aber in der Realität als unzureichend. Dieses Verfahren
hat schließlich auch eine politische Dimension. Umso erstaunlicher,
dass weder die Richterkollegen noch der Präsident des
Oberlandesgerichts dies bemerkten und Götzl darauf aufmerksam
machten. Die Kritik der türkischen Medien ist nicht nur
nachvollziehbar, sondern zutiefst berechtigt. Selbst die mit
krawalligem Unterton vorgetragenen Beschwerden der Regierung in
Ankara sind verständlich, stellt man den Verfahrensanlass und die
Ermittlungspannen in Rechnung. Noch immer ist nicht geklärt, ob die
Ermittler nur schlampig arbeiteten oder bewusst vertuschten. Klar ist
aber, dass die politischen Repräsentanten des deutschen Volkes Anlass
genug sahen, sich in einem Staatsakt zu entschuldigen für
unentschuldbare Fehler und Schuldzuweisungen. Und deutsche
Überheblichkeit in Sachen Gewaltenteilung und richterliche
Unabhängigkeit ist allemal nicht angeraten. Erinnert sei an den Fall
des damals 19-jährigen Marco, dem in Antalya wegen Vergewaltigung und
sexuellen Missbrauchs der Prozess gemacht wurde. Deutsche
Journalisten konnten frei berichten und Kritik an Verfahren und
Strafmaß üben. Nichts, so die Mehrheit der Juristen, spräche dagegen,
wenn deutsche Journalisten ausländischen Kollegen freiwillig ihren
Beobachterplatz überließen. Einige sind dazu auch bereit - nur das
Gericht nicht.
Pressekontakt:
Neue Westfälische
News Desk
Telefon: 0521 555 271
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