Familienpolitik geht an Bedürfnissen der Eltern vorbei
Ergebnisse der repräsentativen forsa-Studie "Wenn Eltern die Wahl haben" im Auftrag von ELTERN und ELTERN FAMILY - vorgestellt in Berlin
Geschrieben am 09-04-2013 |
Berlin/München (ots) - Was wünschen sich Eltern im Wahljahr 2013
von der Familienpolitik? Jedenfalls nicht das, was viele Politiker
derzeit denken. Während die Parteien über die Abschaffung des
Ehegattensplittings und einen schnellen Wiedereinstieg von Frauen in
den Beruf diskutieren, spricht sich eine Mehrheit der Eltern in
Deutschland für das Ehegattensplitting (81 Prozent) aus, und immerhin
42 Prozent sind für eine Job-Pause von drei Jahren oder mehr nach der
Geburt. Grundsätzlich wünschen sich Eltern mehr Chancengleichheit,
Wahlfreiheit sowie einen Staat, der die richtigen Rahmenbedingungen
für Familien schafft. Dazu zählen vor allem die Unterstützung
benachteiligter Familien, eine partnerschaftliche Arbeitsteilung
sowie ein bundesweit einheitliches Bildungssystem. Das geht aus der
repräsentativen forsa-Studie "Wenn Eltern die Wahl haben" im Auftrag
der Zeitschriften ELTERN und ELTERN FAMILY hervor, die heute im
Rahmen einer Pressekonferenz in Berlin vorgestellt wurde und für die
1.000 Mütter und Väter von minderjährigen Kindern in Deutschland
befragt wurden.
Nach ihren Wahlabsichten befragt, würden im Herbst 39 Prozent die
Union, 24 Prozent die SPD, 22 Prozent die Grünen, 6 Prozent die Linke
und 3 Prozent die FDP wählen. Welche familienpolitischen Ziele diese
Parteien in etwa verfolgen, wissen allerdings nur 15 Prozent. 38
Prozent gaben an, dies von einzelnen Parteien zu wissen, fast die
Hälfte (47 Prozent) weiß darüber allerdings eher nicht Bescheid. Bei
den Befragten unter 35 Jahre sagen dies sogar 60 Prozent. 61 Prozent
können zudem bei der derzeitigen Bundesregierung keine konkreten
familienpolitischen Ziele erkennen.
Benennen können die Befragten diese Ziele und Wünsche allerdings
sehr wohl: So finden 89 Prozent, der Staat sollte mehr Wert darauf
legen, benachteiligte Familien zu unterstützen. 88 Prozent meinen,
das vordringliche Ziel sollte es sein, die Geburtenrate zu erhöhen.
Zudem sind 74 Prozent der Ansicht, der Staat sollte dafür sorgen,
dass Familien das Betreuungsmodell für ihre Kinder wählen können, das
am besten zu ihren Bedürfnissen passt.
Eltern befürworten kostenlose Familienversicherung und
Ehegattensplitting Gefragt nach den Möglichkeiten der
Familienförderung, finden es 91 Prozent gut, nicht berufstätige
Ehepartner in der Krankenversicherung mitzuversichern. Auch die
Einführung eines verpflichtenden kostenlosen letzten
Kindergartenjahres (83 Prozent) steht bei den befragten Eltern ganz
oben auf der Wunschliste. Vier Fünftel der Befragten (81 Prozent)
sagen zudem, dass sie das Ehegattensplitting gut finden - Befürworter
sind sowohl zu großen Teilen unter den Anhängern der CDU/CSU (84
Prozent) und SPD (83 Prozent) als auch der Grünen (76 Prozent). Erst
nach dem Splitting folgen der flächendeckende Ausbau der Betreuung
für alle Kinder ab dem ersten Geburtstag (78 Prozent) sowie das
derzeitige Elterngeld (69 Prozent).
65 Prozent der befragten Eltern halten zudem Maßnahmen zur
Frühförderung benachteiligter Kinder für so wichtig, dass sie ihre
Wahlentscheidung beeinflussen. Beim Thema Ehegattensplitting sagen
dies 59 Prozent, bei der kostenlosen Mitversicherung nicht
berufstätiger Ehegatten in der Krankenversicherung 58 Prozent und
beim flächendeckenden Ausbau der Kinderbetreuung 57 Prozent.
Zu den Einsparmöglichkeiten gefragt, gaben 69 Prozent an, dass
Familien, die über mehr als 100.000 Euro brutto im Jahr verfügen,
nicht das volle Elterngeld benötigen. 53 Prozent meinen, die
Gutverdiener könnten aufs Kindergeld verzichten. Und 49 Prozent sind
dafür, das beschlossene Betreuungsgeld zurückzunehmen.
Viele wünschen sich eine partnerschaftliche Arbeitsteilung, nur
wenige haben sie Das traditionelle Alleinverdienermodell hat
ausgedient: Nur 6 Prozent sprechen sich dafür aus. 40 Prozent finden
es gut, wenn er Vollzeit arbeitet und sie Teilzeit, 38 Prozent
favorisieren die Variante "beide arbeiten 30 Stunden und teilen sich
Hausarbeit und Kinder." 13 Prozent finden es gut, wenn beide Vollzeit
arbeiten.
Die Wirklichkeit sieht anders aus: So realisieren das Modell mit
zweimal 30 Stunden nur 6 Prozent der Befragten, die mit einem Partner
zusammen leben, 14 Prozent haben das traditionelle
Alleinverdienermodell, und bei 57 Prozent arbeitet er Voll-, sie
Teilzeit. Einer der Hauptgründe für die Kluft zwischen Wunsch und
Wirklichkeit ist das Geld: 45 Prozent sagen, das Einkommen wäre zu
gering, wenn sie das Wunschmodell umsetzten.
Es fehlen immer noch Betreuungsangebote - jeder Zweite würde
klagen Lediglich ein Viertel der befragten Eltern ist der Meinung,
dass genügend Kita-Plätze für Kinder unter drei Jahren vorhanden
sind. Und: Jeder Zweite (48 Prozent) würde den Rechtsanspruch auf
einen Betreuungsplatz, der im August dieses Jahres für Kinder unter
drei Jahren in Kraft tritt, einklagen (39 Prozent bei den Anhängern
der CDU/CSU, 58 Prozent bei SPD und 53 Prozent bei Bündnis 90/Die
Grünen).
Auf die Frage, wann Frauen nach der Geburt wieder arbeiten gehen
sollten, antworten 24 Prozent: nach einem Jahr. Erstaunliche 42
Prozent denken allerdings, nach drei Jahren oder später sei der
richtige Zeitpunkt.
Ganztagsschulen finden die meisten gut, aber bitte nicht
verpflichtend Auch zur aktuellen Bildungspolitik äußern sich die
befragten Eltern kritisch: Zwar geben 57 Prozent an, bei den
eigenen Kindern keine schlechten Erfahrungen mit dem Bildungssystem
gemacht zu haben, aber: 93 Prozent halten eine Vereinheitlichung des
Bildungssystems in allen Bundesländern für dringend erforderlich.
Insgesamt finden 87 Prozent ein flächendeckendes Angebot an
Ganztagsschulen gut, allerdings nur dann, wenn kein Zwang besteht.
Ist die Ganztagsschule ab der ersten Klasse verpflichtend, sehen sie
nur noch 34 Prozent positiv.
Marie-Luise Lewicki, Chefredakteurin von ELTERN und ELTERN FAMILY:
"Die Ergebnisse unserer Studie zeigen, dass die Politik an den
Wünschen der deutschen Familien vorbeidebattiert und nicht gut genug
erklärt, was sie will und warum. Ganz offensichtlich deckt sich der
Wunsch von Wirtschaft und mehreren Parteien, Eltern nach einem Jahr
ins Berufsleben zurückzuholen, nicht mit den Wünschen vieler Eltern,
was man an der hohen Zustimmung zu Ehegattensplitting und der
kostenlosen Mitversicherung nicht berufstätiger Partner in der
Krankenkasse ablesen kann. Die Studie macht zudem deutlich, dass die
Kleinstaaterei im Bildungswesen niemandem mehr zu vermitteln ist - 93
Prozent aller Eltern wünschen sich einheitliche Lehrpläne und
Schulabschlüsse in ganz Deutschland. Hier werden ganz offensichtlich
die Bedürfnisse fast aller Betroffenen ignoriert."
Die Ergebnisse der Studie sind bei Quellen-Nennung von ELTERN und
forsa zur redaktionellen Berichterstattung frei verwendbar.
Weitere Ergebnisse finden Sie in den aktuellen Ausgaben ELTERN und
ELTERN FAMILY 05/13 (ab 10.4. im Handel) sowie unter
www.eltern.de/wahl.
Zur Studie: Repräsentative Befragung von 1.000 Müttern und Vätern
von Kindern unter 18 Jahren in Deutschland. Befragungszeitraum: 7.
bis 25. Januar 2013, Institut: forsa
Pressekontakt:
Stefanie Hauck
Kommunikation/PR
Verlagsgruppe AGENDA München
Gruner + Jahr AG & Co KG
+49 (0)89 4152 560
hauck.stefanie@guj.de
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