Westdeutsche Zeitung: Neonazi-Netzwerk =
von Olaf Steinacker
Geschrieben am 10-04-2013 |
Düsseldorf (ots) - Dass Häftlinge nicht nur regen Kontakt
untereinander halten, sondern häufig auch ausgedehnt mit der
Außenwelt kommunizieren, gehört nicht gerade zu den großen
Geheimnissen des Strafvollzugs. Schon vor und während der Prozesse
gegen die Mitglieder der Roten Armee Fraktion in den 70er Jahren
gehörten beispielsweise chiffrierte und aus den Zellen geschmuggelte
Kassiber zum Gefängnisalltag wie der nächtliche Einschluss der
Gefangenen. Dass die Verteidigung der Terroristen sich dabei als
Postboten einspannen ließ, ist längst Thema in den Geschichtsbüchern.
Wer den Austausch unter strafgefangenen Neonazis, der jetzt
bekannt geworden ist, möglich macht, wie dieser im Detail organisiert
ist und was Inhalt der Botschaften war, wird in den nächsten Tagen zu
klären sein. Klar ist nach der ersten Analyse eines: Wer geglaubt
hat, dass mit dem Auffliegen der Zwickauer Mörderbande und ihrer
Helfershelfer der braune Spuk beendet sei, liegt gewaltig daneben.
Das Gegenteil ist der Fall: Deutschland hat ein Problem mit
Neonazis. Und ja, in Deutschland gibt es organisierten
Rechtsterrorismus - dem offenkundig mit Haftstrafen und
Geheimdienstarbeit nicht beizukommen ist.
Deshalb dürften in den kommenden Tagen wieder einmal die Ermittler
des Verfassungsschutzes in den Fokus geraten. Wenn sich inhaftierte
Neonazis über Zeitschriftenannoncen austauschen, sich zu organisieren
versuchen oder Kontakt zu Szenegrößen wie Beate Zschäpe oder Ralf
Wohlleben herstellen wollen, dann ist das eine Sache, die man im
Bundesamt für Verfassungsschutz oder den Landesämtern durchaus hätte
mitbekommen können. Kontakte zur rechten Szene gab und gibt es mit
einiger Sicherheit immer noch reichlich.
Selbstverständlich haben auch Strafgefangene Rechte und - auch
wenn es paradox klingen mag - gewisse Freiheiten. Totale Zensur und
hundertprozentige Überwachung sind gewiss die falsche Reaktion auf
das vorhandene oder entstehende Neonazi-Netzwerk hinter Gittern.
Helfen würde es allerdings, bei einschlägigen Gefangenen sehr viel
genauer hinzuschauen. Ansonsten geraten die Justizbehörden wie zuvor
schon Geheimdienste und Polizei in einen schlimmen Verdacht: Wollen
sie es vielleicht gar nicht so genau wissen?
Pressekontakt:
Westdeutsche Zeitung
Nachrichtenredaktion
Telefon: 0211/ 8382-2370
redaktion.nachrichten@westdeutsche-zeitung.de
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