DER STANDARD-Kommentar: "Im Lustschauer des Alarmismus" von Christoph Prantner
Geschrieben am 18-04-2013 |
"In den USA geben Terroristen, Freaks und Fundamentalisten die
Politik vor"; Ausgabe vom 19.04.2013
Wien (ots) - Es ist ein weites Feld aus Angst und Schrecken, das
dieser Tage in den Vereinigten Staaten von Amerika zur Bestellung
steht. Verschwörungstheorien, Verfolgungsfantasien und echte
Bedrohungen schießen dort ins Kraut - wild durcheinander und kaum
auseinanderzuhalten.
Es gab die Bomben von Boston, tödliche Giftbriefe an Politiker, eine
Feuersbrunst nahe Waco. Ob nun terroristische Energie dahintersteckt,
dunkle Erinnerungen an mörderische Sektierer oder schlichtweg Zufall
- diese Fälle stehen für ein Land im Lustschauer des Alarmzustands,
ein Land, in dem die Stimme der Vernunft zwischen all dem Geklapper
und Geplapper einer von hyperventilierenden Nachrichtenkanälen
getriebenen Gesellschaft kaum noch vernehmbar ist.
Auf dem Kapitol jedenfalls hat sie sich zuletzt nicht ausreichend zu
Gehör gebracht. Das Minimalprogramm, um Schusswaffen in den USA
einigermaßen zu kontrollieren, ist im Senat glatt durchgefallen.
Dieses - das steht schlechterdings fest - würde mörderische
Gewaltexzesse nicht notwendigerweise verhindern können (genauso wenig
wie es eine bis an die Zähne bewaffnete Gesellschaft kann, wie
Waffenlobbyisten gerne insinuieren). Die genauere Überprüfung von
Waffenkäufern könnte aber sehr wohl jene Verwirrten und mental
Instabilen auf den Radarschirm bringen, die zuletzt in einer Schule
in Newtown, in einem Kino in Colorado oder bei Gabrielle Giffords'
Wahlkampfauftritt in Arizona Massenmorde begangen haben.
Barack Obamas Einschätzung, dass sich ein guter Teil Amerikas "an
Gewehre oder Religion krallt", um möglichst wenig irritiert durchs
Leben zu schlittern, kostete ihn 2008 beinahe die
Präsidentschaftswahl. Fünf Jahre und einen wiedergewählten
intellektuellen Präsidenten später ist jene grassierende
fundamentalistische Unvernunft, für die die Tea-Party-Bewegung steht,
nicht kleiner geworden in den USA. Im Gegenteil: Auf dem Nährboden
dieses Eiferertums gedeihen Hysterie und kollektive Neurosen
prächtig. So gut, dass bereits - mutmaßlich - meschuggene
Elvis-Imitatoren - mutmaßlich - Rizin-Post ins Weiße Haus schicken.
"Return to Sender", diese Nummer ist auf dieser Platte nicht
vorgesehen.
Diese grundsätzliche Abwendung vom Staat und seinen Institutionen
zeitigt in Washington eine unerbittliche Kompromisslosigkeit genau
dann, wenn Vernunft und Kompromisse gefragt wären: beim Waffenrecht,
in der Budgetpolitik, in der Gesundheitsreform und womöglich auch in
Einwanderungsfragen. Weil viele auch auf dem Kapitol der
grassierenden Alles-oder-nichts-Mentalität das Wort reden, ist es
nicht verwunderlich, dass das amerikanische Gemeinwesen auch in der
zweiten Amtszeit Obamas wie gelähmt wirkt. Terroristen, Freaks und
Fundamentalisten bestimmen die Agenda, den Rest erledigen die
News-Networks.
Wohin Amerika in dieser Atmosphäre gehen wird, ist nicht absehbar.
Der sichtbare Ärger eines Präsidenten allein, der von seinen
Senatoren wie bei der Waffenabstimmung im Stich gelassen wird, wird
nicht ausreichen, um wieder auf einen Pfad der Politik
zurückzufinden, auf dem Amerika wieder zu so etwas wie einer
ideologischen Führungsmacht des Westens wird. Dafür müsste wohl ein
neuer Amerikanischer Traum her, der den Großteil der Amerikaner auch
anspricht. Aber den hat selbst der talentierte Mr. Obama bisher nicht
entfachen können.
Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445
Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom
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