Krankenhauseinkäufer jetzt gesetzlich verpflichtet, Produktqualitäten zu unterscheiden / Patientenrechtegesetz nimmt Kliniken bei der Wahl von Medizinprodukten stärker in die Pflicht
Geschrieben am 23-04-2013 |
Starnberg (ots) - Gern haben sich Einkäufern bei der Auswahl von
Medizinprodukten bislang vorwiegend am Preis orientiert. Eine
aktuelle Gesetzesänderung vom Februar 2013 setzt nun die Qualität der
Produkte mit in den Fokus der Einkaufsentscheidung.
Am Beispiel von medizinischen Thromboseprophylaxestrümpfem (MTPS)
erläuterten der Gesundheitsökonom Prof. Wilfried von Eiff aus Münster
und der Medizinjurist Prof. Volker Großkopf aus Köln die neue
Situation. Die zu einer Expertengruppe des Medical Data Institute
gehörenden Referenten hielten ihre Vorträge auf den diesjährigen
Jahreskongress der Prospitalia Einkaufsgemeinschaft. Die Prospitalia
feiert in diesem Jahr ihr 20. Jubiläum. Sie ist die größte
Einkaufsgemeinschaft Deutschlands und betreut als Marktführer in
diesem Bereich über 800 Einrichtungen des Gesundheitswesens.
"Der Einkäufer ist zukünftig viel stärker als bisher in der
Pflicht, sich über Qualitätsunterschiede der am Markt erhältlichen
Medizinprodukte zu informieren", so von Eiff. Anhand von MTPS
erläuterte der Ökonom den mehrdimensionalen Entscheidungsprozess. "In
unserem Beispiel kommt dem Einkäufer die Wahl des Produktes mit dem
billigsten Stückpreis am Ende teuer zu stehen. Das Billigprodukt ist
ökonomisch die falsche Wahl und obendrein ein klinisches Risiko."
Insbesondere die Klinikeinkäufer seien gefordert, diese
Entwicklung zu verfolgen und verstärkt Informationen zu
Qualitätsunterschieden einzuholen. Bei den MTPS beispielsweise gebe
es unterschiedliche Fabrikate mit unterschiedlicher Funktionalität am
Markt. Im Gegensatz zur allgemeinen Meinung vieler Einkäufer seien
die Strümpfe nicht alle gleich oder gar austauschbar." "Der von
unserer Expertengruppe durchgeführte sogenannte HoSy-Test zeigt
deutlich die Unterschiede zwischen den am Markt erhältlichen
Fabrikaten. Die sind unterschiedlich designt, daher verwundert es
nicht, dass sie im Test auch unterschiedlich abschneiden. Das
Spektrum reicht von 100protzentiger Zweckerfüllung bis zu Strümpfen,
die eher Gefahr laufen, eine Thrombose auszulösen", erläutert von
Eiff.
Der Einkäufer sei verpflichtet, sich bei der Beschaffung eines
Medizinproduktes vor seiner Entscheidung über alternative klinische
Wirkungen sachgerecht zu informieren. Dazu gehöre es, sich im Falle
von Produkten, die für kritische klinische Situationen eingesetzt
werden - etwa Thromboseprophylaxe - ausreichend Fachinfos über die am
Markt angebotenen Produkte einzuholen. "Eine Orientierung der
Einkaufsentscheidung nur am Preis des Produktes kann klinische
Komplikationen hervorrufen, sofern ein nicht funktionsgerechtes
Produkt beschafft wird", führt von Eiff aus. "Viele Einkäufer sind
sich der Tatsache nicht bewusst, dass sie bei einem Versäumnis
rechtlich belangt werden können."
Der Jurist Prof. Volker Großkopf bestätigt die Ausführungen seines
Vorredners: "Das Vorhalten der entsprechenden Qualität gehört zum
medizinischen Standard", so Großkopf, "dies ergibt sich unmittelbar
aus dem § 630 a, Abs. 2 BGB. Dieser Paragraph ist im Rahmen des
Patientenrechtegesetzes, welches am 26. Februar 2013 in Kraft
getreten ist, in das Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen worden."
Großkopf weiß auch von Kliniken, die aus Einsparungsgründen erwägen,
MTPS gar nicht mehr einzusetzen und weist ausdrücklich auf die
Haftungsgefahr der Klinikverantwortlichen bei einseitigem Einsatz von
ausschließlich medikamentösen Prophylaxemaßnahmen und dem völligen
Ausschluss der tradierten Prophylaxe durch MTPS hin. "Wer die
Möglichkeiten der Thromboseprophylaxe zulasten des Patienten
einschränkt und nur noch die medikamentöse Therapie vorhält, setzt
sich gegebenenfalls einem Haftungsrisiko aus. Ferner bedarf sowohl
das Risikoassessment als auch die durchgeführte Therapie der
hinreichenden Dokumentation", so der Jurist. Speziell für die
Klinikeinkäufer bereitet die Expertengruppe zwecks Unterstützung eine
Publikation vor.
Von Eiff ergänzt: "Damit kann sich nachher keiner mehr rausreden,
weil er in Unwissenheit der Kenntnis eines nicht funktionsfähigen
Produkts die falsche Einkaufsentscheidung getroffen hat. Juristisch
wird in solchen Fällen unterstellt, der Einkäufer hätte um die
mangelnde Funktionalität wissen müssen und verbindet damit eine
"billigende Inkaufnahme" und damit Vorsatz".
Pressekontakt:
Pressestelle Medical Data Institute
Beatrice Hamberger
Mobil: +49 (0)174 2460808
E-Mail: presse@md-institute.com
www.md-institute.com
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