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Börsen-Zeitung: Anlagenotstand, Börsenkommentar "Marktplatz", von Thorsten Kramer.

Geschrieben am 26-04-2013

Frankfurt (ots) - Eines ist gewiss: Vergnügungssteuer wird an der
Börse dieser Tage nicht fällig. Das konjunkturelle Bild trübt sich
seit einigen Wochen zunehmend ein und stellt die Nerven der
Marktteilnehmer auf die Probe. Viele Akteure hatten sich - wenn auch
vorsichtig - seit dem Jahreswechsel auf eine Belebung der
Weltwirtschaft eingestellt. Anstelle der erhofften positiven Signale
erhalten sie nun aber viele enttäuschende Indikationen aus den
Vereinigten Staaten und Europa, aber auch aus China - und dies in
einer Zeit mit historisch niedrigen Zinsen, in der es zu
Aktieninvestments im Grunde keine echte Alternative gibt. Der
Anlagenotstand wird größer.

Für institutionelle Investoren spitzt sich die Lage damit weiter
zu. Um die Schuldenquoten auf noch einigermaßen beherrschbaren Levels
zu halten, gelten niedrige Zinsen als zwingend erforderlich; die
großen Notenbanken haben sich längst mit entsprechenden Aussagen
positioniert. Dies bedeutet aber auch, dass an den Anleihemärkten
langfristig bei den sichersten Papieren, auf die etwa Versicherer
oder Pensionskassen angewiesen sind, nichts zu holen sein wird. Im
Segment für Staatsanleihen müssen Investoren schon Bonds aus der
europäischen Peripherie ins Depot holen, wenn sie noch eine
auskömmliche Rendite im Bereich von 4% erzielen wollen. Aber dies ist
mit höheren Risiken verknüpft. Und im Segment für Firmenpapiere
müssen Unternehmen mit bester Bonität schon lange keine hohen Zinsen
mehr bieten, damit ihnen die Anleger das Material aus den Händen
reißen. Auch hier müssen Anleger höhere Risiken akzeptieren.

Um das Kapital gegen eine schleichende Entwertung zu schützen,
gehören Aktieninvestments folglich in jedes Portfolio. Das wissen
auch die Anleger. Ihnen fehlt aber das Vertrauen, wie aktuelle
Sentiment-Indikatoren und die anhaltend niedrigen Handelsumsätze an
den Aktienmärkten zeigen. Im Dax-Handel zum Beispiel lag das Volumen
vor fünf, sechs Jahren grob geschätzt um 50% höher. Die Hoffnung,
dass die ultralockere Geldpolitik der Notenbanken der Konjunktur doch
noch auf die Sprünge hilft, hat indes zwangsläufig Bestand. Denn
sollte die bereitgestellte enorm hohe Liquidität nicht dazu führen,
dass sich die Perspektiven aufhellen, hätten die Investoren noch ganz
andere Probleme.

In den Fokus des Interesses rückt nun die bevorstehende
Ratssitzung der Europäischen Zentralbank am kommen Donnerstag in
Bratislava. Eine Vielzahl von Marktteilnehmern und Analysten wettet
inzwischen darauf, dass die Notenbank zusätzliche Stimuli beschließt,
zumal aktuelle Wirtschaftszahlen die Schwäche der Eurozone
unterstreichen.

Die Kreditvergabe an den öffentlichen Sektor blieb im März
schwach: Sie sank auf Jahresfrist, wie schon im Vormonat, um 0,8%,
wie die Notenbank vor dem Wochenende mitteilte. Dabei haben speziell
kleine und mittelgroße Unternehmen aus den Peripherieländern Probleme
bei der Finanzierung: Jede neunte Gesellschaft aus dieser Gruppe
bekommt nach Notenbankangaben in der Eurozone zurzeit kein
Bankdarlehen; zudem unterscheiden sich die Konditionen zwischen den
Ländern erheblich. Am Freitag machten dann außerdem noch Meldungen
die Runde, dass die Regierung in Madrid ihre Prognose für die
Veränderung des Bruttoinlandsprodukts im Jahr 2013 von minus 0,5% auf
minus 1,3% korrigiert.

Für Volkswirte durchaus denkbar wäre es beispielsweise, dass die
Europäische Zentralbank künftig direkt Kredite an die kleinen und
mittelgroßen Unternehmen vergibt. Zur Unterstützung der Konjunktur
könnten die Währungshüter zudem darauf abzielen, die Zinsen im
längeren Laufzeitenbereich zu drücken, in dem sie beispielsweise
einen neuen Langfristtender anbieten. Entsprechende Beschlüsse
dürften die Notierungen an den Aktienmärkten anschieben.

Anlagestrategen werden in der Erwartung weiterer
Notenbankmaßnahmen jedenfalls nicht müde, ihre Überzeugung einer
globalen konjunkturellen Belebung im Laufe des zweiten Halbjahres zu
wiederholen. In der nun abgelaufenen Woche äußerten sich
beispielsweise Experten der beiden Privatbanken Metzler und Sal.
Oppenheim sowie der Investmentbank Goldman Sachs dementsprechend.
Behalten sie recht, wird der Aktienmarkt den Investoren im Verlauf
des zweiten Halbjahres sicherlich mehr Freude bereiten als derzeit.

(Börsen-Zeitung, 27.4.2013)



Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de


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