WAZ: Gönnen wir uns einen Test beim Fracking
- Kommentar von Ulrich Reitz
Geschrieben am 31-05-2013 |
Essen (ots) - Wir Deutschen sind gerne grundsätzlich unterwegs,
nach dem Motto: Deutsch sein heißt, eine Sache um ihrer selbst willen
zu betreiben. Deshalb neigen wir zur schnellen Festlegung, von der
wir uns dann durch nichts und niemanden mehr abbringen lassen. Schon
wegen des dann drohenden Gesichtsverlusts. Die Welt besteht aber
nicht nur aus Schwarz und Weiß. Tatsächlich überwiegen die Grautöne.
Das gilt erst recht für die ganz großen Themen. Fracking ist so ein
großes Thema. Für eine Industriegesellschaft ist günstige Energie ein
Wert an sich. In der globalisierten Welt entscheidet der Energiepreis
über die Zukunftschancen ganzer Branchen und ihrer Arbeitsplätze.
Deshalb sollten wir nicht in die alte, bequeme Technikfeindlichkeit
verfallen und aus Furcht grundsätzlich Nein sagen. In Kanada lässt
sich studieren, dass die Fracking-Technik beherrschbar und
nutzbringend eingesetzt werden kann. Eine große Bevölkerungsmehrheit
dort trägt das umstrittene Verfahren mit. Selbst Farmer, unter deren
Grund und Boden gefrackt wird, sind nicht grundsätzlich dagegen,
beharren nur auf mehr Transparenz und Beteiligung. Das ist
nachvollziehbar. Aber in Deutschland ist vieles einfach anders.
Amerikaner und Kanadier probieren ein neues Verfahren erst einmal aus
und verbessern es dann Zug um Zug. In Deutschland versuchen wir unter
der Überschrift "Technikfolgenabschätzung", alle Risiken theoretisch
auszuschließen, bevor wir praktisch starten. Außerdem ist Deutschland
ungleich dichter besiedelt als Kanada und die Umweltgesetzgebung viel
strenger als dort. Wir wissen noch nicht, wie viel uns das Fracking
wirtschaftlich bringen kann. Wir wissen nicht, unter welchen
Bedingungen es überhaupt bei uns funktionieren kann; das ist in jedem
Land, sogar in jedem Fördergebiet unterschiedlich. Und wir wissen
auch noch nicht, ob unser rigider Weg, ausschließlich auf erneuerbare
Energien zu setzen, am Ende der verantwortbare ist. Was folgt aus
alledem? Wir sollten uns einen Test gönnen, um herauszufinden, ob in
Deutschland verantwortungsvoll und nutzbringend gefrackt werden kann.
Wenn ein Thema keine ideologische Voreingenommenheit verträgt, dann
dieses. In das Jahrhundertprojekt einer Energiewende sind wir
überhastet hineingestolpert. Das sollte uns kein zweites Mal
passieren.
Pressekontakt:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 - 804 6519
zentralredaktion@waz.de
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