Mittelbayerische Zeitung: Unfreiheit, Ungleichheit, Unbrüderlichkeit - Frankreich ist wegen der Homo-Ehe gespalten. Die Republik bekommt die Grenzen des Laizismus zu spüren. Von Christine Strasser
Geschrieben am 02-06-2013 |
Regensburg (ots) - Die Bürgermeisterin mit blau-weiß-roter
Schärpe, das Bekenntnis zur Treue "in guten wie in schlechten
Zeiten", Musik und ein Kuss: Als sich vergangene Woche in Frankreich
das erste homosexuelle Paar das Jawort gab, war es eine Feier ganz
nach Regeln und Ritus der V. Republik. Dennoch kommt diese
Eheschließung im Land von Freiheit, Einheit und Brüderlichkeit einer
kleinen Revolution gleich. Selten ist in Frankreich über ein Thema so
erbittert gestritten worden wie über das Gesetz zur Homo-Ehe. 136
Stunden und 46 Minuten dauerte die Debatte in der
Nationalversammlung. Bis zu einer halben Million Demonstranten nahmen
an manchen Wochenenden an den Kundgebungen teil. Konservative
marschieren in seltener Eintracht neben rechtsextremen Politikern.
Auch nach der Verabschiedung des Gesetzes tobt ein Kulturkampf. Er
zeigt ein Gesicht, das man so von Frankreich nicht erwartet hätte:
erzkatholisch, antimodern, rückwärtsgewandt und homophob. Dabei hat
Präsident François Hollande doch nur eines getan: Er hat eines seiner
60 Wahlversprechen gehalten. Auf der Liste dieser Versprechen stand
es auf Platz 31. Kein überraschender politischer Schachzug also.
Zumal es in Frankreich schon seit 1999 die eingetragene
Lebenspartnerschaft gibt. Dieser Pacs (Pacte civil de solidarité) ist
ein in der Regel vom Amtsgericht vollzogener Verwaltungsakt, der mit
einer Frist von drei Monaten von einer Seite aufgelöst werden kann.
Weil er in Geldangelegenheiten weitgehend der Ehe angeglichen ist,
ist der Pacs auch bei Heterosexuellen sehr beliebt. Mehr als 90
Prozent der "gepacsten" Paare sind heterosexuell. Auf zwei Hochzeiten
kommt ein Solidarpakt. Die Institution Ehe hat an Attraktivität
eingebüßt - unabhängig von der Homo-Ehe. Als Hollande Präsident
wurde, sprachen sich 65 Prozent der Franzosen in Umfragen für eine
Homo-Ehe aus. Nun richtet sich der erbittertste Widerstand der Gegner
der "Ehe für alle" dagegen, dass homosexuellen Paaren erlaubt wird,
Kinder zu adoptieren. Doch auch das war eigentlich schon längst
möglich - seit Einführung der Pacs. Vor dem Gesetz fungiert
allerdings nur ein Partner als Elternteil. Der andere hat keine
Rechte. Das ändert sich mit dem neuen Gesetz. Die Franzosen hätten
andere Probleme. Zuforderst die hohe Arbeitslosigkeit. Seit 24
Monaten steigt sie. Ein Ende ist nicht absehbar. Doch anstatt gegen
den Abbau von Arbeitsplätzen auf die Straße zu gehen, protestieren
die Franzosen gegen ein Gesetz, dass lesbischen und schwulen Paaren
zusätzliche Rechte gewährt, ohne traditionellen Ehen etwas
wegzunehmen. Die klassische Familie hat an Bedeutung verloren. Die
Hoffnung auf Stabilität setzen viele Franzosen aber noch immer in
diese kleine Einheit. Die Homosexuellen werden zum Sündenbock dafür
gemacht, dass sich ein Anker der Gesellschaft gelöst hat. Der
UMP-Abgeordnete Bruno Le Maire bringt diese Sichtweise wie folgt auf
den Punkt: "Angesichts der Krise und mangels eines kollektiven
Schicksals klammern sich viele Menschen an der Ehe fest, die als
Element der Identität wahrgenommen wird, sowie an der Familie, die
als schützende Zelle erlebt wird. Sie empfinden die Heirat von
Homosexuellen als Bedrohung dieser letzten Bezugspunkte. Bei den
Katholiken ist die Empörung noch größer, denn sie sehen darin einen
echten Angriff auf ihre Werte." Dabei ist Frankreich ein
laizistisches Land, in dem Staat und Kirche, privates und
öffentliches Leben zwei strikt getrennte Sphären sind. Jetzt bekommt
es die Grenzen dieses Laizismus zu spüren.
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Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
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