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Staatsanwaltschaft zum Organskandal: "Tod anderer Patienten billigend in Kauf genommen"

Geschrieben am 19-06-2013

Hamburg (ots) - Nach der Anklageerhebung gegen den ehemaligen
Leiter der Göttinger Transplantationschirurgie hat die
Staatsanwaltschaft Braunschweig weitere Details bekanntgegeben.
Gegenüber dem Politikmagazin "Panorama 3" im NDR Fernsehen erklärte
Oberstaatsanwalt Klaus Ziehe: "Wir gehen davon aus, dass der
Beschuldigte Patienten bevorzugt mit Spenderorganen versorgt hat. Das
heißt: Andere Patienten in anderen Kliniken, denen es in Wahrheit
sehr viel schlechter ging, haben ihr Spenderorgan nicht erhalten und
sind dadurch möglicherweise verstorben." Dieses habe der Beschuldigte
offenbar gewusst und billigend in Kauf genommen.

Der Göttinger Arzt soll Krankendaten seiner Patienten manipuliert
haben, so dass sie auf dem Papier kränker erschienen als sie in
Wirklichkeit waren. So sollen sie schneller eine Spender-Leber
erhalten haben, als ihnen zustand. Diese Manipulationen wertet die
Staatsanwaltschaft als versuchten Totschlag.

"Wir betreten hier natürlich rechtlich gewisses Neuland", sagte
Oberstaatsanwalt Ziehe "Panorama 3". "Es gibt keinen Fall, bei dem
die Problematik, ob eine solche Manipulation ein versuchter Totschlag
ist, jemals entschieden worden wäre."

Bei der Staatsanwaltschaft in Braunschweig rechnet man deshalb mit
einem aufwendigen und langwierigen Verfahren, auch wegen des Umfangs
der Ermittlungen. "Das bedingt gutachterliche Stellungnahmen, das
bedingt rechtliche Überlegungen tiefergehender Art. Einfach wird es
jedenfalls nicht. Es wird sicherlich einige Zeit brauchen, um zu
einer Entscheidung zu kommen", sagte Ziehe.

Für Strafrechtsexperten ist indes fraglich, ob bei derartigen
Manipulationen ein Totschlag überhaupt nachzuweisen ist. "Diese
Wartelisten ändern sich ständig, sind von vielen Faktoren abhängig",
erklärte Prof. Hans Kudlich, Strafrechtler an der Universität
Erlangen, gegenüber "Panorama 3". "Da kann es im Einzelfall sehr
schwierig sein zu sagen: Weil hier eine bestimmte Person nach vorne
gerutscht ist, ist gerade eine andere Person verstorben." Selbst bei
einem versuchten Totschlag sei das schwierig.

Die Staatsanwaltschaft geht dennoch davon aus, dass ihre Anklage
Aussicht auf Erfolg hat. Oberstaatsanwalt Ziehe verweist auf die
Entscheidung des Braunschweiger Oberlandesgerichtes zur
Untersuchungshaft des Beschuldigten. Das Oberlandesgericht habe im
März "unsere Überzeugung eines dringenden Tatverdachts des versuchten
Totschlags im Rahmen der Haftprüfung bestätigt". Der Arzt sitzt seit
Januar wegen Fluchtgefahr in Untersuchungshaft. Auf "Panorama
3"-Anfrage wollte er sich nicht äußern.

Informationen zur Sendung finden Sie im Internet unter
www.NDR.de/panorama3



Pressekontakt:
Norddeutscher Rundfunk
Presse und Information
Iris Bents
Tel.: 040-4156-2304


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