Ecuador inszeniert sich als Hüter der Pressefreiheit - ROG fordert echte Reformen
Geschrieben am 24-06-2013 |
Berlin (ots) - Das angekündigte Asylgesuch des Prism-Enthüllers
Edward Snowden in Ecuador rückt das südamerikanische Land wieder
einmal als vermeintlichen Verteidiger der Presse- und
Meinungsfreiheit ins Licht der Weltöffentlichkeit. Dabei hätte
Präsident Rafael Correa jeden Anlass, vor der eigenen Türe zu kehren:
Vor wenigen Tagen hat er ein neues Mediengesetz unterzeichnet, das
dem Staat weitreichende Eingriffsmöglichkeiten in die Arbeit von
Journalisten verschafft und zum Einfallstor für Zensur werden könnte.
(http://bit.ly/12sL3Km) Dies ist umso alarmierender, als Correa die
Arbeit unabhängiger Medien schon bisher mit systematischer
Einschüchterung behindert hat.
"Über dem Schutz ausländischer Whistleblower sollte Präsident
Correa die Pressefreiheit in Ecuador nicht vergessen", forderte der
Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen (ROG), Christian Mihr.
"Bloße Lippenbekenntnisse reichen nicht aus, um die politische
Polarisierung der Medienlandschaft zu überwinden."
Das ecuadorianische Parlament hatte am 14. Juni mit großer
Mehrheit das seit 2009 diskutierte "Organische Kommunikationsgesetz"
verabschiedet. (http://bit.ly/120Rjmi) Dieses verbietet zwar auf dem
Papier jede Vorabzensur durch Regierung oder Behörden (Artikel 18)
und garantiert Vertraulichkeit sowie Quellenschutz für die Arbeit von
Journalisten (Artikel 39 bis 41). Dass Rundfunklizenzen künftig zu
gleichen Teilen an staatliche, private und nichtkommerzielle Sender
vergeben werden müssen, könnte einen Schritt zu mehr Pluralismus
bedeuten, wenn die Regelung umsichtig gehandhabt wird.
Zugleich definiert das neue Gesetz jedoch in Artikel 22 ein Recht
auf "verifizierte, ausgewogene, präzise und kontextualisierte"
Information über Angelegenheiten von öffentlichem Interesse. Solche
einschränkenden Bestimmungen der Informationsfreiheit können Zensur
rechtfertigen und widersprechen unmittelbar den Prinzipien für
Meinungsfreiheit der Interamerikanischen Menschenrechtskommission.
(http://bit.ly/12ZwGxa) Ebenso bedenklich ist, dass das Gesetz
Information als "öffentliches Gut" beschreibt (Artikel 71) und damit
staatlicher Regulierung zugänglich macht.
Problematisch an dem neuen Gesetz ist auch das Verbot der
"medialen Lynchjustiz" (Linchamiento mediático, Artikel 26), das
Berichte über Korruption oder Behördenversagen künftig unter Strafe
stellen könnte. Ferner werden die Redaktionen verpflichtet, sich
eigene Verhaltenskodexe zuzulegen, die - ebenfalls im Widerspruch zu
den Prinzipien der Interamerikanischen Menschenrechtskommission -
gesetzliche Mindeststandards erfüllen müssen und über deren
Einhaltung staatliche Stellen wachen (Artikel 9 und 10).
Unberührt von dem Gesetz bleibt der von ROG seit langem
kritisierte Missstand, dass Verleumdung in Ecuador als Straftat
geahndet wird. Diese Regelung ist die Grundlage für
unverhältnismäßige Urteile wie die dreijährigen Haftstrafen sowie
Entschädigungsurteile in Millionenhöhe gegen die Führungsspitze der
Zeitung El Universo, die Correa erst durch eine Begnadigung aufhob.
(http://bit.ly/zXZq41) Der Universo-Kolumnist Emilio Palacio
(http://bit.ly/cDfuSq) floh seinerseits vor der Verfolgung in die USA
und bekam dort Asyl.
Auch das von Correa exzessiv genutzte Vorrecht des Präsidenten,
sich mit seinen Verlautbarungen in das laufende Programm sämtlicher
Fernsehsender einzuschalten, bleibt nach dem neuen Gesetz erhalten.
Seit seinem Amtsantritt 2007 betreibt Correa eine systematische
Kampagne zur Dämonisierung vor allem privater Zeitungen und
Rundfunksender, denen er die Verquickung von Journalismus und
Geschäftsinteressen vorwirft. Wiederholt hat er Nachrichtenmedien als
Saboteure seiner "Bürgerrevolution" beschimpft oder einzelne
Journalisten öffentlich an den Pranger gestellt. Regierungsmitglieder
dürfen auf Anweisung des Präsidenten keine Interviews an Privatmedien
geben. Ein Verbot der "Wahlpropaganda" unter Androhung ruinöser
Strafen (http://bit.ly/V6KBx2) befördert die Selbstzensur.
Mit dem Fotografen Byron Baldeón wurde vergangenen Juli erstmals
seit 2005 ein Reporter offenbar wegen seiner journalistischen Arbeit
getötet. (http://bit.ly/MRgeD1) Ein weiterer Journalist, Fausto
Valdivieso, wurde im April unter zunächst unklaren Umständen
ermordet. (http://bit.ly/16RIVLg)
Ecuador steht in der aktuellen Rangliste der Pressefreiheit auf
Platz 119 von 179. Weitere Informationen zur Situation der Medien in
dem Land finden Sie unter http://en.rsf.org/ecuador.html.
Pressekontakt:
Reporter ohne Grenzen
Ulrike Gruska / Christoph Dreyer
presse@reporter-ohne-grenzen.de
www.reporter-ohne-grenzen.de
T: +49 (0)30 60 98 95 33-55
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