Mittelbayerische Zeitung: Angela im Wunderland
Mit ihrem Programm öffnet die Union das Füllhorn. Wie die Wohltaten finanziert werden, ist unklar. Von Reinhard Zweigler
Geschrieben am 24-06-2013 |
Regensburg (ots) - In die ehemaligen Ost-Berliner
Opernwerkstätten, wo einst Kulissen gezimmert wurden, haben die
Unions-Parteien gestern ein paar Hundert Funktions- und Mandatsträger
eingeladen. An der Stelle, wo auch Bühnenbilder für Franz Lehars
gleichnamige Operette entstanden, probierten die Merkel, Seehofer und
Co. eine Art Aufführung vom "Land des Lächelns". Das etwas großspurig
als "Regierungsprogramm" titulierte 127-Seiten Epos der Union ist die
Wohlfühl-Ankündigung eines "Weiter so, mit Mutti!" Mit ihrem
Wahlprogramm haben nun auch CDU und CSU das Füllhorn sozialer
Wohltaten geöffnet. Allen soll es besser gehen, keinem schlechter.
Mehr Geld für Familien und Kinder. Mehr Lohn für Geringverdiener,
wenn sich die Tarifpartner darauf einigen. Mehr Geld für
Normalverdiener, denen endlich der Steuerbauch operiert werden soll.
Mehr Rente für Mütter. Mietpreisbremse und Schutz vor Altersarmut.
Gleichzeitig wird Vermögenden und Erben versprochen, dass sie nicht
mehr an den Fiskus abführen müssen. Das alles klingt wie Angela im
Wunderland. Offenbar setzt die Union auch bei der Finanzierung all
der schönen Ankündigungen auf ein Wunder. Denn wie die
milliardenschweren Wahlversprechen finanziert werden sollen, lassen
die Schwesterparteien einfach offen. Irgendwie wird's schon gehen.
Und überhaupt: Wir haben ja die Kanzlerin. Und Angela Merkel hielt
sich gestern in den Opernwerkstätten gar nicht mit derlei
Kleinigkeiten auf. Hauptsache die Inszenierung stimmte. Interessant
auch, dass Angela Merkel und Horst Seehofer auf die derzeitigen
Koalitionspartner in Berlin und in München kaum noch eingingen.
Schwarz-Gelb, vor vier Jahren noch der Wahlkampfschlager der späteren
Regierungspartner, wird schon lange nicht mehr beschworen. Die
ausgezehrte Koalition taugt offenbar nicht einmal mehr als
Wahlkampf-Hit. Insofern ist die harsche Kritik der Liberalen am
Unions-Programm "Freibier für alle", verständlich. Freilich geht es
in der Politik nicht um enttäuschte Liebe, nicht um große
Empfindungen, sondern vor allem um die Macht im Land. Und auf diesem
Feld ist die lange von vielen unterschätzte kühle Physikerin der
Macht zurzeit ziemlich konkurrenzlos. Merkel räumt ungeniert Themen
von anderen Parteien ab, kopiert die Mietpreisbremse der SPD oder
improvisiert beim Mindestlohn, den einst die Linke auf die Agenda
schob. So einfach, so souverän kann Wahlkampf sein. Wenn man die
Macht hat und das Ansehen und das Vertrauen einer hinreichend großen
Zahl von Wählern. Hat Angela Merkel vor vier Jahren noch einen
Koalitionswahlkampf geführt, geht es ihr heuer nur noch um den puren
Machterhalt. Und da ist es dann eigentlich egal, was im Wahlprogramm
steht und wer mit und unter ihr regiert. Ob wieder der geschmeidige
FDP-Rösler oder der kantige SPD-Gabriel, vielleicht sogar der
unglückliche Steinbrück. CSU-Chef Horst Seehofer gibt in dieser
Konstellation nicht den brüllenden bayerischen Löwen, sondern das
handzahm schnurrende Kätzchen. Nicht einmal von der Pkw-Maut, einem
Lieblingsprojekt der Christsozialen, ist mehr die Rede. Die neue
Eintracht zwischen München und Berlin hat mit der wechselseitigen
Abhängigkeit zu tun. Vergeigt Seehofer die Bayern-Wahl, wäre das eine
schlechte Vorlage für Merkel. Andererseits braucht die CDU die
Kanzlerin als Wahlkampflokomotive.
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Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
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