Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar: Drohung mit Kraftwerks-Stilllegung
Toaster kalt, Kühlschrank warm?
HANNES KOCH, BERLIN
Geschrieben am 16-07-2013 |
Bielefeld (ots) - Trotz aller Kritik ist die Energiewende eine
ungeheuer erfolgreiche Veranstaltung. Mehr als ein Drittel der
Kraftwerke in Deutschland nutzen inzwischen regenerative Quellen.
Wegen des Booms von Wind- und Sonnenstrom bekommen die alten Kohle-
und Gasanlagen mittlerweile Probleme. Ihre Elektrizität wird weniger
gebraucht. Deswegen klagen die Produzenten, sie würden kaum Geld
verdienen und drohen mit der Stilllegung mancher Stromfabrik. Der
Subtext, der bei vielen Bürgern ankommt, lautet: Die Stromversorgung
ist nicht mehr sicher. Vielleicht bleibt bald der Toaster kalt, und
der Kühlschrank wird warm. Die Drohung mit Stromausfällen ist
allerdings aus der Luft gegriffen. Schließlich leben wir nicht in
einer freien, sondern in einer regulierten Marktwirtschaft. Die
Netzagentur in Bonn kann verbieten, Kraftwerke abzuschalten.
Natürlich wissen das die Stromproduzenten. Mit ihren Klagen wollen
sie jedoch die aktuelle politische Debatte über die Zukunft des
Strommarktes beeinflussen. Die wichtigen Fragen lauten: Welchen Platz
haben künftig noch Kraftwerke, die Kohle und Gas verfeuern? Wieviel
Geld können sie verdienen? Die Antworten zeichen sich bereits ab. In
einigen Jahren wird es in Deutschland einen Markt gewissermaßen auch
für Nicht-Strom geben. Reservekraftwerke für den Notfall werden dann
über die Strompreise mitfinanziert, die Industrie und Bürger
bezahlen. Diese Vergütung für's Nichtstun dient als Ausgleich dafür,
dass es keinen Stromausfall gibt, wenn die Sonne nicht scheint oder
der Wind nicht weht. Die Stromunternehmen wollen dafür möglichst gute
Bedingungen herausschlagen. Ihre Stilllegungsdrohung hat auch den
Zweck, die spätere Vergütung für Elektrizitätssicherheit in die Höhe
zu treiben. Im öffentlichen Interesse darf die Politik dem nicht auf
den Leim gehen.
Pressekontakt:
Neue Westfälische
News Desk
Telefon: 0521 555 271
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