Börsen-Zeitung: Solidarität mit (fast) allen, Kommentar zu Steuereinnahmen von Bernd Wittkowski
Geschrieben am 22-07-2013 |
Frankfurt (ots) - Der deutsche Staat lebt im Steueraufkommen wie
die Made im Speck. Wer es nicht glaubt, dem sei der Monatsbericht des
Bundesfinanzministeriums zur Lektüre empfohlen. In den ersten sechs
Monaten flossen 277,5 Mrd. Euro in die Kassen von Bund und Ländern,
ein Anstieg um 3,5% im Vorjahresvergleich. Allein im Juni stiegen die
Steuereinnahmen sogar um 4,3%. Und das alles bei nicht gerade
überschäumender Konjunktur. Für die kommenden Jahre sind weitere
Rekordeinnahmen in Serie absehbar. Nach den Zahlen per Jahresmitte
hält der Fiskus besonders erfolgreich bei den Lohnsteuerzahlern, die
sich ja auch kaum gegen das Abkassieren wehren können, die Hand auf:
Wie in Form durchaus ansehnlicher Tariflohnzuwächse gewonnen, so ist
das Geld über die Steuerprogression schnell wieder zerronnen.
Nun zahlen wir alle gerne unseren Obolus für die öffentliche
Versorgung und Sicherheit, die Infrastruktur, die Bildung, den
sozialen Ausgleich und selbstverständlich auch für eine gebotene
solidarische Umverteilung. Und das ist gar nicht mal ironisch
gemeint. Aber die Steuererhöhungsorgie, die sich für die nächste
Legislaturperiode in Berlin abzeichnet, wird durch die offizielle
Einnahmenstatistik geradezu ad absurdum geführt. Dabei ist von den
traditionellen Steuererhöhungsparteien SPD, Grüne und Linke, denen
selten etwas Originelleres einfällt, als Unternehmen und Bürger zur
Kasse zu bitten, nichts anderes zu erwarten. Doch ist die CDU keinen
Deut besser. Die saarländische Ministerpräsidentin Annegret
Kramp-Karrenbauer geht schon länger für einen höheren
Spitzensteuersatz hausieren. Wohl um beizeiten den Boden für eine
Neuauflage der Großen Koalition in Berlin zu bereiten. Kanzlerin und
Parteichefin Angela Merkel setzt nun noch einen drauf, indem sie sich
für die dauerhafte Erhebung des Solidaritätszuschlages über 2019
hinaus starkmacht, dann mit "gesamtdeutscher" Verwendung. Die
sozialen Wohltaten, die den Wählern mit Blick auf den 22. September
versprochen werden, müssen eben finanziert werden.
Die Politik ist in Deutschland weitestgehend parteiübergreifend
mit allen solidarisch - nur nicht mit den Steuerzahlern. Auf die
Idee, dass der Staatshaushalt zumal angesichts sprudelnder Einnahmen
durch entschlossene Korrekturen auf der Ausgabenseite nachhaltig ins
Gleichgewicht gebracht werden müsste, kommt jedenfalls auch die
größere der Regierungsparteien nicht. Für sie gilt wie für die
Opposition das Diktum des Ökonomen Schumpeter: Eher legt ein Hund
einen Wurstvorrat an als eine demokratische Regierung eine
Haushaltsreserve.
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