DER STANDARD-Kommentar: "Demokratie zum Fürchten" von Gudrun Harrer
Geschrieben am 25-07-2013 |
"Ägyptens General al-Sisi hilft der Muslimbruderschaft, indem
er sie viktimisiert"; Ausgabe vom 26.7.2013
Wien (ots) - Die ägyptische Armee musste zur Schadensbegrenzung
einen Sprecher vorschicken: Er hat es nicht so gemeint, der
Militärchef, Verteidigungsminister und Vizepremier General
Abdelfattah al-Sisi, als er zu Massendemonstrationen aufrief, mit
denen die Ägypter und Ägypterinnen der Armee ein "Mandat zur
Terrorismusbekämpfung"erteilen sollten. Der Sprecher versicherte
treuherzig, dass diese Proteste in den Rahmen von "nationaler
Versöhnung und Übergangsjustiz"fallen würden. Es gehört offenbar zum
akzeptierten Politikverständnis der neuen Demokraten an Ägyptens
Spitze, dass die Justiz auf die Straße gehört und diese Straße einer
Armee den Marschbefehl erteilen kann. Denn hätte sonst nicht sofort
Präsident Adly Mansur - der ehemalige oberste Verfassungsrichter -
seinen Verteidigungsminister in die Schranken verwiesen? Wo bleiben
die Rücktrittsdrohungen jener Minister im Kabinett, die aus der nach
dem Umsturz 2011 gegründeten Sozialdemokratischen Partei stammen? Wie
geht der Vizepräsident und Friedensnobelpreisträger Mohamed ElBaradei
mit so etwas um? Die traurige Wahrheit ist, dass sich nicht nur die
Muslimbrüder und ihre Anhänger - deren Versammlungen von Ende Juni
auf Video abrufbar sind und die eine deutliche, gewalttätige Sprache
sprechen - in diesem dunklen Tunnel voller Schatten und Gespenster
befinden, der in Richtung Bürgerkrieg führt, sondern auch die
Gegenseite. Das einzig vernünftige Wort - Bleibt zu Hause, lasst euch
nicht provozieren, bringt das Land wieder zum Funktionieren! - fällt
nicht, wenn Emotionen zum Leitfaden der Politik werden: wir gegen
die. Als Erklärung für al-Sisis Aufruf wird ein rationales Argument
angeführt: Umfragedaten hätten ergeben, so heißt es, dass eine klare
Mehrheit gegen die Muslimbrüder stehe. Das wären in der Tat,
begleitet vom Geld, das jetzt vom Golf nach Kairo fließt, prächtige
Voraussetzungen für einen Neustart. Anstatt sich aber auf die Frage
zu konzentrieren, wie man die Menschen davon überzeugt, die
Muslimbrüder bei den kommenden Parlamentswahlen abzuwählen, wächst
die Lust eines Sektors in der Gesellschaft auf deren Auslöschung. Das
hat nicht nur schon einmal, unter Präsident Nasser, nicht geklappt -
die Verfolgung ab 1954 beförderte ihre internationale Verbreitung -,
es spielt den Muslimbrüdern sogar in die Hände. Zu ihrer Eigensicht,
die sie in den zwei Jahren, die sie an den Futtertrögen der Macht
waren, nicht abgelegt haben, gehört die Heimsuchung, die Verfolgung,
die sie ins Verborgene zwingt. Die Viktimisierung, die durch die
derzeitige Strafverfolgung auf einer unklaren gesetzlichen Basis vor
sich geht, ist geradezu ein Geschenk: Sie wird Unentschiedene
emotional auf die Seite der "Unterdrückten"drängen, denen ihr Recht
vorenthalten wird. Dass alles, was dem Staat nicht passt, unter
"Terrorist"eingestuft wird, ist den Ägyptern auch nicht neu.
Interimspräsident Adly hat bei seiner Nationalfeiertagsansprache den
ersten drei Präsidenten der ägyptischen Republik (Muhammed Naguib,
Gamal Abdel Nasser, Anwar al-Sadat) ein Loblied gesungen - und so
nebenbei "Fehler"erwähnt. Die Revolution 1952 hatten die Offiziere
noch mit den Muslimbrüdern gemeinsam gemacht. Natürlich ist es eine
Vereinfachung, Parallelen zu der Zeit vor 60 Jahren zu ziehen. Aber
über die Fehler, die damals gemacht wurden, könnte man auf alle Fälle
noch einmal nachdenken.
Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445
Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom
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