Betreuungsschlüssel: Masse statt Klasse / Geht der Kita-Ausbau auf Kosten der Qualität? / Ein Beitrag der JAKO-O Initiative "Lasst Kinder einfach Kinder sein" zum neuen Kinderförderungsgesetz (BILD)
Geschrieben am 01-08-2013 |
Bad Rodach (ots) -
Wickeln, füttern, spielen, anziehen, trösten, schmusen, in den
Schlaf wiegen: Sich um ein kleines Kind zu kümmern, ist eine
wunderbare Aufgabe, aber auch eine große Herausforderung.
Entsprechend fordern Experten für Krippen einen Betreuungsschlüssel
von 3 zu 1. Sprich: Eine Erziehungsperson soll sich um höchstens drei
Kinder kümmern, damit jedes Kind die nötige Aufmerksamkeit bekommt
und die Arbeitsbelastung nicht zu hoch wird. Doch die Realität sieht
in fast allen Bundesländern ganz anders aus. Durch den neuen
Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz könnte sich die Situation
sogar noch verschlechtern, warnen Experten. Denn um Klagen leer
ausgegangener Eltern zu vermeiden, werden derzeit in manchen Kommunen
einfach die Gruppengrößen in den Kitas heraufgesetzt.
Der Ausbau geht so auf Kosten der Qualität. Und die ist in vielen
Einrichtungen in Deutschland ohnehin schon jetzt nur mittelmäßig, wie
ganz aktuell die Nubbek-Studie (Nationale Untersuchung zur Bildung,
Betreuung und Erziehung in der frühen Kindheit) zeigt. Demnach
erreichen 80 Prozent der Krippen und Kitas bei der "pädagogischen
Prozessqualität" auf einer Skala von 1 bis 7 Werte zwischen 3 und 5.
Weniger als 10 Prozent der Einrichtungen schneiden in der unter
anderem vom Bundesfamilienministerium geförderten Studie mit "gut"
ab.
Die Schlussfolgerung der Experten der JAKO-O Initiative "Lasst
Kinder einfach Kinder sein": "Die Befunde rufen nach Verbesserung".
Allerdings gebe es für die Erhöhung der Qualität keinen Königsweg -
mit Änderungen beim Betreuungsschlüssel allein sei es auf jeden Fall
nicht getan. Trotzdem spielt dieser natürlich eine wichtige Rolle.
Wie der Betreuungsschlüssel aussieht, ist Ländersache. Im Saarland
liegt er laut dem Statistischen Bundesamt derzeit bei 1 zu 3,2, in
Hamburg bei 1 zu 5,1 und in Brandenburg bei 1 zu 6,2. Wer schon mal
auf drei Einjährige gleichzeitig aufgepasst hat, kann sich leicht
ausrechnen, dass bei sechs kleinen Kindern kaum Zeit bleiben dürfte,
um sich um individuelle Anregung oder Förderung zu kümmern. Da wird
es schon schwierig, die grundlegenden Bedürfnisse zu erfüllen.
Dazu kommt: Der Schlüssel ist eine ziemlich theoretische
Angelegenheit. Denn wenn zum Beispiel viele Erzieher gleichzeitig
krank werden, nützt die versprochene 3 zu 1-Quote nichts. Dann muss
sich eine Erzieherin schnell um sechs oder mehr Kinder kümmern - oder
der Praktikant hat plötzlich alleine die Verantwortung für eine
Gruppe.
Dass die Gruppen in vielen Kitas größer sind, als für die Kinder
gut ist, liegt auch daran, dass qualifiziertes Personal nur schwer zu
finden ist. Der Erzieher-Markt ist leergefegt - Kitas müssen gerade
in den Großstädten oft monatelang nach neuen Mitarbeitern suchen.
Viele Kommunen haben darauf mit eigenen Programmen reagiert. In
Hamburg gibt es zum Beispiel verkürzte Ausbildungsprogramme für
Quereinsteiger. Ganz gezielt werden hier vor allem Männer
angesprochen.
Andernorts werden statt pädagogischer Fachkräfte vermehrt
Kinderpfleger eingesetzt, deren Ausbildung weit weniger umfassend
ist. Experten wir der Bildungsforscher Prof. Dr. Wassilios Fhtenakis
sehen diese Entwicklung kritisch: "Angesichts der großen
Herausforderungen müsste die Ausbildung verbessert und nicht verkürzt
werden".
Ein weiterer Faktor, der sich negativ auf die Betreuungsqualität
auswirken kann, ist die hohe Zahl der Teilzeitstellen. Im Bereich
frühkindliche Bildung arbeiten laut einer Studie der Universität
Dortmund 60 Prozent der Mitarbeiter in Teilzeit. Problematisch ist
das vor allem angesichts der steigenden Ganztagsbetreuung, da Kinder
eine feste Bezugsperson brauchen, wenn sie so lange außerfamiliär
betreut werden.
Diese Fakten zeigen: Es gibt noch viel zu tun beim Thema
Kita-Qualität. "Doch der Ausbau des Betreuungssystems bedeutet auch,
dass es in Zukunft weniger schwierig und langwierig sein wird, einen
Platz für sein Kind zu bekommen", so Bettina Peetz, Geschäftsleiterin
JAKO-O und selbst Mutter von drei Kindern. "Eltern und Kinder müssen
die Situation dann nicht mehr bedingungslos akzeptieren - und damit
steigt automatisch der Druck auf die Einrichtungen, ihre Arbeit zu
verbessern".
Pressekontakt:
MasterMedia GmbH
Johanna Wiese
Schulterblatt 120
20357 Hamburg
Telefon: 040/507113-56
Mail: wiese@mastermedia.de
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
477833
weitere Artikel:
- Wahl 2013 im ZDF: Claus Richter und Thomas Fuhrmann porträtieren Peer Steinbrück (SPD) Mainz (ots) - Gleich zu Beginn seiner Kanzler-Kandidatur forderte
Peer Steinbrück für sich "Beinfreiheit", denn ein Mann des
Parteiapparats war er nie. Ohne "Stallgeruch" und "Ochsentour"
verstand er sich stets als Vertreter der Exekutive. Er ist Macher und
Realist, ein Karrierebeamter, der zum Ministerpräsidenten von
Nordrhein-Westfalen und zum Finanzminister der großen Koalition
aufstieg.
Im "ZDFzeit"-Porträt "Kante Klartext Kandidat" am Dienstag, 6.
August 2013, 20.15 Uhr, beobachten Claus Richter und Thomas Fuhrmann
den mehr...
- neues deutschland: Berliner Lehrergewerkschaft sieht Integration an Schulen als Baustelle Berlin (ots) - Sigrid Baumgardt, Vorsitzende des Berliner
Landesverbands der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW),
sieht trotz positiver Meldungen aus dem Senat zum Schuljahresbeginn
noch großen Handlungsbedarf an den Schulen der Hauptstadt. »Beim
Gesundheitsmanagement passiert viel zu wenig«, betonte die
Gewerkschaftsvorsitzende. Hier sei der rot-schwarze Senat gefragt.
Ebenso seien Integration und Inklusion an den Schulen noch nicht viel
weiter gekommen. Im Interview mit der Tageszeitung "neues
deutschland" (Freitagausgabe) mehr...
- Steffen Bockhahn zu deutschen Genehmigungen für US-Datenschnüffelei: Ahnungslosigkeit nur gespielt Berlin (ots) - "Sollten die Verantwortlichen der letzten Jahre
behaupten, sie hätten keine Vorstellung von dem, was sie da genehmigt
haben, ist das nicht naiv, sondern gelogen", so Steffen Bockhahn,
Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium (PKG) für die Fraktion
die LINKE, zu den aktuellen Meldungen, die Bundesregierung habe seit
2003 amerikanischen Unternehmen erlaubt, im Auftrag der USA auf
deutschem Boden nachrichtendienstlich tätig zu werden. Mehr als 200
Ausnahmegenehmigungen wurden aufgrund einer Vereinbarung, die das
Auswärtige mehr...
- Kölner Stadt-Anzeiger: Oberster Datenschützer fordert Aufnahme von Snowden in Deutschland Köln (ots) - Köln. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz,
Peter Schaar, hat angeregt, dem NSA-Enthüller Edward Snowden Aufnahme
in Deutschland zu gewähren, um genauere Informationen über die
Abhörpraktiken deutscher und amerikanischer Geheimdienste zu
bekommen. "Es wäre sehr hilfreich, wenn auch deutsche Behörden den
direkten Weg zu ihm suchen würden, um den Wahrheitsgehalt seiner
Aussagen zu prüfen", sagte Schaar dem "Kölner Stadt-Anzeiger"
(Freitag-Ausgabe). "Das würde voraussetzen, dass er nicht sofort in
Haft genommen würde. mehr...
- "Weitere Anstrengungen beim Kita-Ausbau erforderlich!" fordert Nils-Oliver Freimuth, Bundesvorsitzender des Jungen Wirtschaftsrates Berlin (ots) - Zum heute in Kraft tretenden Anspruch auf einen
Kita-Platz erklärt der Bundesvorsitzende des Jungen Wirtschaftsrates
im Wirtschaftsrat der CDU e.V., Nils-Oliver Freimuth: "Weitere
Anstrengungen beim Kita-Ausbau erforderlich!"
"Die Bundesregierung hat ihr selbst gestecktes Ziel zwar auf den
ersten Blick erreicht: Pünktlich zum heutigen Tag, an dem Eltern
einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder unter drei
Jahren erhalten, stehen rund 800.000 Kita-Plätze zur Verfügung -
20.000 mehr, als die Bundesregierung mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|