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Börsen-Zeitung: Schwellenländer in Not, Börsenkommentar "Marktplatz", von Thorsten Kramer.

Geschrieben am 16-08-2013

Frankfurt (ots) - Die strukturelle Story in den Emerging Markets
behält ihre Gültigkeit" - Schwellenländerexperten großer
Vermögensverwalter im In- und Ausland werden nicht müde, Investoren
auf die langfristig positiven Perspektiven in den wachstumsstarken
Ländern insbesondere in Asien hinzuweisen. Nur: Ihre Botschaft zieht
nicht mehr.

Besonders augenfällig werden die Zweifel der Anleger zurzeit in
Indien. Galt der Subkontinent lange Zeit als einer der Hotspots, an
denen ein langfristig ausgerichteter Akteur unbedingt einen Teil
seines Anlagevermögens platziert haben sollte, geraten dort die
Notierungen nun zusehends unter Druck. Selbst drastische
Beschränkungen im Devisenhandel führten vor dem Wochenende nicht
dazu, dass sich die indische Rupie stabilisierte. Im Gegenteil: Ein
Dollar erreichte in der Spitze ein Niveau von 62 Rupien - so teuer
ist er zuvor noch nie bezahlt worden. An der indischen Börse gerieten
die Notierungen aufs Neue unter Druck. Der Leitindex BSE Sensex fiel
um rund 4% und notierte somit um knapp 4,5% unter seinem Stand vom
Jahresbeginn, während die Leitindizes an den großen
Industriestandorten der Erde im laufenden Jahr bereits kräftige
Gewinne verbuchten. Der US-Benchmarkindex kletterte bereits um knapp
17%, der EuroStoxx 50 trotz Staatsschuldenkrise immerhin um knapp 8%
und der japanische Nikkei sogar um deutlich mehr als 30%.

Die Regierung in Neu-Delhi hatte zur Wochenmitte unter anderem den
Import von Goldmünzen verboten. Sie zielt zugleich darauf ab, etwa
die Infrastruktur schnell und nachhaltig zu verbessern, um wieder
mehr Kapital aus dem Ausland anzuziehen. Zuvor hatte die indische
Notenbank bereits die Zinsen für kurzfristige Kredite angehoben und
indische Auslandsinvestitionen begrenzt. Die indische Konjunktur
wächst derzeit mit einer Rate von 5%, also so langsam wie seit zehn
Jahren nicht mehr. An den Märkten führte das dazu, dass ausländische
Akteure bereits 11,6 Mrd. Dollar aus indischen Wertpapieren abzogen.
Beobachter fürchten nun, dass sich die Spirale weiterdreht, sprich
weitere Mittel aus dem Land herausfließen und die Rupie anhaltend
unter Verkaufsdruck steht.

Auf der Suche nach renditestarken Investments war in den
zurückliegenden Jahren viel billiges Geld in die wachstumsstarken
Schwellenländer geflossen. Seitdem die US-Notenbank Federal Reserve
eine baldige Drosselung ihrer Anleihenkäufe angedeutet hat, kehrt
sich, so ist unter Marktanalysten zu hören, dieser Kapitalfluss um.
Dies ist jedoch nur ein Teil der Wahrheit, denn Anleger zeigen sich
schon seit Längerem darüber enttäuscht, dass in Indien ebenso wie in
China oder Brasilien die Wachstumsraten nicht mehr die Niveaus der
zurückliegenden Jahre erreichen. Zugleich hellen sich die
konjunkturellen Perspektiven in den Industrieländern nachhaltig auf,
so dass viele Investoren dort nun die deutlich besseren und womöglich
sichereren Renditechancen erkennen.

Zu nennen ist dabei in erster Linie die weltgrößte Volkswirtschaft
USA. Dort ist freilich längst nicht alles Gold, was glänzt, wie in
den zurückliegenden Tagen manche Wirtschaftsstatistik in Erinnerung
gerufen hat. Doch ist dort der Erholungstrend etwa am Immobilienmarkt
unverkennbar. Nicht zufällig denkt die Fed über eine Abkehr vom
ultralockeren Kurs in der Geldpolitik nach. Derweil kommt auch die
Konjunktur in der Eurozone in Fahrt. Die nun veröffentlichten Zahlen
zum Wirtschaftswachstum im zweiten Quartal werteten Volkswirte ebenso
wie Anlagestrategen als Beleg dafür, dass die Region nun endlich das
Thema Rezession ad acta legen kann und die Belebung mit Blick auf das
neue Jahr dann richtig Fahrt aufnimmt. Hinzu kommt die anhaltende
Zuversicht der Akteure mit Blick auf Japan, auch wenn dort die
jüngsten Wachstumsdaten den Erwartungen nicht gerecht werden konnten.
Unter Analysten überwiegt deshalb die Hoffnung, dass die
Weltwirtschaft mehr Tempo aufnimmt.

Speziell an Europas Aktienmärkten, die noch als vergleichsweise
günstig bewertet eingestuft werden, erkennen Anlagestrategen großer
Banken Chancen für Investoren. Sie raten dabei indes dazu, sich die
einzelnen Titel ganz genau anzusehen. Dabei steht der zu erwartende
Gewinntrend im Fokus des Interesses. Als aussichtsreich gelten nun
etwa Unternehmen mit einem hohen Geschäftsanteil in den Vereinigten
Staaten. Zugleich sollten Akteure im Blick behalten, wie es um die
Verschuldung eines Konzerns bestellt ist. Dort, wo Kredite oder
Anleihen bald fällig werden, könnten sich die Veränderungen des
Zinsniveaus in Reaktion auf die Fed-Politik nachteilig auswirken.

(Börsen-Zeitung, 17.8.2013)



Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de


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