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DER STANDARD-KOMMENTAR "Reif für die Mitbestimmung" von Michael Völker

Geschrieben am 16-08-2013

Die Regierung hat das Demokratiepaket selbst sabotiert -
Ausgabe vom 17./18.8.2013

Wien (ots) - Es sind große, falsche Krokodilstränen, die die SPÖ
jetzt um das Demokratiepaket vergießt: Die SPÖ hat diese Initiative
nur widerwillig mitgetragen und von Beginn an torpediert. Es wäre
ehrlicher gewesen, die Ablehnung auch offen zu kommunizieren, anstatt
das Projekt von innen zu sabotieren. Letztendlich war das Projekt,
das im Kern auf eine Aufwertung von Volksbegehren abgezielt hat, so
schlecht vorbereitet, dass es jetzt in sich zusammenstürzt. Vor der
Wahl wird dieses Demokratiepaket mit Sicherheit nicht mehr
beschlossen, nach der Wahl in dieser Form wohl auch nicht mehr.

Mit einem schleißigen Entwurf haben die Koalitionsparteien mit
grüner Mithilfe dem Anliegen, dem Volk künftig mehr
Mitbestimmungsmöglichkeiten einzuräumen, einen äußerst schlechten
Dienst erwiesen. Die SPÖ mag das mit Absicht gemacht haben, die ÖVP
hat das offenbar aus reiner Tollpatschigkeit vermurkst.

Der Entwurf für einen Gesetzestext wurde im Begutachtungsverfahren
praktisch von allen namhaften Experten zerpflückt und lieferte den
Gegnern von mehr Mitbestimmung Bestätigung und weiteres Material.
Wenn SPÖ und ÖVP jetzt reumütig kundtun, sie wollen das Paket noch
einmal diskutieren und möglicherweise im Herbst beschließen, sagen
sie offensichtlich die Unwahrheit: Das gesamte Anliegen ist mit der
schlampigen Vorbereitung so nachhaltig beschädigt, da wird es nicht
helfen, ein paar Details am Rande umzuformulieren.

Grundsätzlich geht es darum, wie man die Bevölkerung mehr und
öfter in Entscheidungsfindungsprozesse einbinden kann, ohne dabei
geltungssüchtigen Milliardären, gelangweilten Zeitungsmagnaten oder
rechtspopulistischen Kleingeist-Parteien ein Instrument zum
Missbrauch in die Hand zu geben. Den beiden Regierungsparteien SPÖ
und ÖVP ist dabei grundsätzlich zu misstrauen: Sie haben das
Instrument des Volksbegehrens durch anhaltendes und konsequentes
Ignorieren zuvor selbst kaputtgemacht. Egal, ob das zuletzt das
Bildungsvolksbegehren von Hannes Androsch, das
Demokratievolksbegehren einer überparteilichen Initiative von
Altpolitikern oder das Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien war,
die Regierung hat deren Anliegen mit einem Schulterzucken quittiert.
Wären der Koalition Bürgeranliegen tatsächlich etwas wert, hätte sie
diese bisher schon ernster nehmen können.

Wenn sich die Regierung jetzt selbst verpflichten will,
Volksbegehren, die von mindestens zehn Prozent der Stimmberechtigten
unterstützt werden, verpflichtend einer Volksbefragung zu
unterziehen, macht das stutzig. Ganz durchdacht ist das Vorhaben auch
nicht: Volksbegehren, Volksbefragung, Volksabstimmung in einem Zug?
Da drängt sich der Verdacht auf, dass sich das Volk mit sich selbst
beschäftigen soll und im Kreis geschickt wird, ehe es ernst genommen
wird.

Die größte Gefahr liegt aber darin, dass eine nichtqualifizierte
Mehrheit, angeführt von mächtigen Medien oder einer finanziell
schlagkräftigen Truppe, über die Rechte einer Minderheit entscheiden
könnte - dass "wirkungsstarke Parolen sich gegenüber rationalen
Überlegungen" durchsetzen könnten, wie die Präsidentschaft in ihrer
Stellungnahme warnte. Es ist schade, dass die Regierung jetzt keinen
Weg gefunden hat, das Volk auch abseits von Wahlen stärker in
demokratische Entscheidungsfindungsprozesse einzubinden. Das Volk
wäre reif dazu. Die Regierung ist es offenbar noch nicht.

Rückfragehinweis:
Der Standard
Tel.: (01) 531 70 DW 445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom

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