"DER STANDARD"-Kommentar: "Nicht am fairen Wahlsieg rütteln" von Eric Frey
Geschrieben am 18-08-2013 |
Demokratie legitimiert auch jene Kräfte, die selbst wenig von
Demokratie halten (Ausgabe ET 19.08.2013)
Wien (ots) - Die katastrophale Entwicklung in Ägypten hat eine der
politischen Gretchenfragen der vergangenen Jahrzehnte wieder
hochaktuell gemacht: Wie hältst du es mit freien Wahlen, vor allem in
Ländern, die vom demokratischen Ideal noch weit entfernt sind?
Der nach dem Fall des Kommunismus weitverbreitete Glaube, dass ein
freier Urnengang den wichtigsten Schritt zur Demokratie darstellt,
ist längst verflogen. Zu oft hat man gesehen, dass Wahlen bloß dazu
genutzt werden, eine autoritäre Herrschaft zu legitimieren. In
Ländern mit tiefen ethnischen oder religiösen Trennlinien spiegeln
sie die bestehenden demografischen Verhältnisse wider und erschweren
dadurch die Schaffung eines harmonischen Staatswesens. Für den Aufbau
einer Demokratie, betonen zahlreiche Politikexperten, ist ein
funktionierender Rechtsstaat wichtiger als Wahlen.
Aber gerade der Fall Ägypten macht eines deutlich: Hat das Volk
einmal seine Stimme abgegeben und ist das Ergebnis halbwegs fair und
korrekt, dann wird es sehr, sehr schwierig, diese Wahl nicht
anzuerkennen oder umzustoßen. Wahlsieger besitzen eine Legitimität,
die sie auch durch Inkompetenz und Machtmissbrauch nicht mehr so
leicht verspielen. Seit Ende des Kalten Krieges scheuen auch die USA
davor zurück, Putschversuche selbst gegen ihre schlimmsten Feinde -
wie gegen Hugo Chávez 2002 - abzusegnen. Und in Europa sind
Wahlergebnisse, wenn sie den Stempel "frei und fair" tragen, ohnehin
sakrosankt.
Problematisch wird diese Einstellung dort, wo zumeist in Umbruch-
oder Krisenzeiten Politiker oder Parteien Wahlen gewinnen, die selbst
nicht viel von Demokratie halten, und daher die Gefahr droht, dass
sie die einmal gewonnene Macht nicht mehr aus der Hand geben.
Das ist auch das Argument, mit dem die Militärs und ihre Anhänger
in Ägypten den Sturz von Mohammed Morsi rechtfertigen. Gerne wird
dabei auf das Beispiel Deutschland 1933 verwiesen. Doch dieser
Vergleich hinkt: Nicht durch eine Wahl, sondern durch einen Deal mit
rechtsnationalen Kräften kam Adolf Hitler damals an die Macht.
Zwar bergen manche freie Wahlen tatsächlich die Gefahr in sich,
dass sie die Letzten sein werden. Doch die Schlussfolgerung, ein
Putsch gegen autoritäre Wahlsieger sei das geringere Übel, erweist
sich zumeist als Fehlschluss. Gerade radikale Kräfte werden den
illegitimen Machtverlust nicht hinnehmen, wenn sie einen Großteil der
Bevölkerung hinter sich wissen - und sie sind dabei im Recht. In
Algerien kämpfte die islamistische FIS mehr als ein Jahrzehnt,
nachdem sie 1991 um den Wahlsieg betrogen wurde, und auch in Ägypten
gibt es weder Anzeichen noch Gründe dafür, dass die Muslimbrüder
Kompromissangebote der Militärs annehmen werden. Liberale Gruppen
geben in solchen Situationen viel eher auf.
Aber wie umgehen mit populären Antidemokraten in einer instabilen
Demokratie? Oft ist es besser, mit Wahlen zu warten und zuerst die
Schaffung rechtsstaatlicher Rahmenbedingungen zu forcieren. Das wäre
auch in Ägypten nach dem Sturz Hosni Mubaraks 2011 sinnvoll gewesen.
Und wenn Islamisten oder andere Extremisten wieder eine Wahl
gewinnen, dann muss es das Ziel ihrer Gegner werden, ihre Macht
einzudämmen, nicht zu rauben.
Dieser Prozess ist mühsam und kann auch scheitern. Aber die
Alternative, so verlockend sie sein mag, führt mit Sicherheit in eine
blutige Sackgasse.
Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445
Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom
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